Pure Erleichterung: Die Eltern des toten Leon fallen sich nach dem Urteil im Gerichtssaal in die Arme.
Innsbruck – Schon Minuten vor der offiziellen Verkündung der Geschworenen-Entscheidung verbreitete sich die Nachricht auf den Fluren des Innsbrucker Landesgerichts: Leons Papa Florian A. (39) wird vom Verdacht freigesprochen, seinen behinderten Sohn Leon (†6) am 28. August 2022 in die Kitzbüheler Ache gestoßen zu haben. Weinend und lachend zugleich lief seine Frau Sandra auf und ab, bis sie ihren Mann selbst in die Arme schließen konnte.
Der schlug um 17.05 Uhr die Hände vors Gesicht: Alle acht Geschworenen sahen ihn als unschuldig an, kein einziger wollte der Mord-Anklage von Staatsanwalt Joachim Wüstner folgen. „Sie können stehenden Fußes nach Hause gehen“, sagte Richter Andreas Fleckl zum Angeklagten. Doch zuvor holte sich der deutsche Fitnesstrainer noch seine persönlichen Sachen aus der JVA Innsbruck, wo er 524 Tage unschuldig in U-Haft gesessen hatte.
In seinem letzten Wort hatte sich der Hesse nur anderthalb Stunden vorher noch einmal an die Laienrichter gewandt, die nach drei Prozesstagen über sein Schicksal zu entscheiden hatten: „Bitte lassen Sie mich einfach wieder nach Hause.“ Leon sei sein Sonnenschein gewesen, dass er ihn nicht habe beschützen können in jener Nacht, werde er sich nie verzeihen. Und an den unbekannten Täter gewandt sagte er: „Wir werden niemals aufhören, ihn zu suchen.“
Einen sechsstelligen Betrag hatte Florian A.‘s Familie für private Gutachten ausgegeben, die dem Tiroler LKA unfassbare Ermittlungsfehler nachwiesen. Ausgehend von der These, dass die Pflege des am Syngap-Syndrom erkrankten, oft schlaflosen Kind den Vater überfordert habe, ermittelten sie offenbar mit Tunnelblick nur in eine Richtung. Dabei gab es durchaus alternative Tatverdächtige: In einem Mülleimer, in dem auch das iPhone von Florian A. lag, sicherten die Polizisten einen Zigarettenstummel mit der DNA eines 60-jährigen Straftäters. Er wurde zwar befragt, hatte kein Alibi vorzuweisen, wurde aber unbehelligt gelassen. Zwei Osteuropäer telefonierten zur Tatzeit über einen Funkmast am Tatort an der Redford-Promenade in St. Johann zwischen 3.51 Uhr und 4.05 Uhr miteinander. Das Überwachungsvideo einer Drogerie-Filiale, auf dem ein Unbekannter dem Vater mit seinem Buggy nur kurz vor dem Überfall folgt, wurde nicht rechtzeitig gesichert und gelöscht.
Am Donnerstag kam zudem heraus: In dem Mülleimer lagen auch Einweghandschuhe mit unbekannter männlicher DNA, und am Overall des tot auf einer Sandbank gefunden Kindes fand sich ebenfalls die genetische Spur eines Mannes. Dennoch verstieg sich Staatsanwalt Joachim Wüstner in seinem Plädoyer zu der Aussage: „Wenn Herr A. mit seiner schlechten Lüge durchkommt, treibt vielleicht bald der nächste tote Mensch in einem Gewässer.“
Dabei hatte Gutachterin Carolin Menzel von der Münchner Firma Fast Detect zuvor ein weiteres Schuld-Indiz des Anklägers entkräftet. Das iPhone von Florian A. hatte nämlich nicht die zehn Schritte vom Tatort zum Mülleimer aufgezeichnet – laut Staatsanwalt, weil Florian A. es selbst dort deponierte und sich danach selbst mit der Flasche niederschlug. Menzel wies nach, dass das iPhone nach einem Sturz gar keine Schritte mehr aufzeichnet.
Für seine lange Zeit in Haft stehen A. gerade mal 20 bis 50 Euro pro Tag und für seine immensen Verteidigerkosten nur 10000 Euro zu.