Badeverbot für Handy-Eltern

von Redaktion

Immer öfter wird in Freibädern die Aufsichtspflicht vernachlässigt

Augen am Handy: Beim Schwimmen kann das schnell lebensgefährlich sein. © Fabian Sommer/dpa

Hamburg/Essen – Schnell Mail checken, eine Runde Candy Crush oder ein Tiktok-Video: Schwimmbäder haben nach Einschätzung eines Experten zunehmend Probleme mit Eltern, die sich durch ihre Smartphones ablenken lassen und ihre Kinder nicht ausreichend beaufsichtigen. Bundesweit hätten Bäder deshalb schon ein- oder mehrtägige Hausverbote ausgesprochen, sagte der Ausbildungsleiter der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, Eric Voß. Er rate bei seinen Schulungen, unaufmerksame „Handy-Eltern“ einmal zu verwarnen und im Wiederholungsfall des Schwimmbads zu verweisen. Das sei durch das Hausrecht der Mitarbeiter gedeckt.

Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung von solchen Fällen aus Hamburger Schwimmbädern berichtet. In Hamburg mussten innerhalb von zwölf Tagen gleich zwei Kinder reanimiert werden, weil ihre Eltern durch Smartphones abgelenkt waren. So hatte unter anderem eine Mutter das Schwimmbad sogar zum Telefonieren verlassen und ließ ihre Tochter für zehn Minuten alleine im Bad. In dieser Zeit kam es zu einem Notfall, bei dem das Kind fast ertrunken wäre. Aufmerksam wurde die Mutter darauf erst, als der Krankenwagen vorfuhr. In Hamburg verteilt das Personal mittlerweile gezielt entsprechende Flyer an die Eltern. Wer sich trotzdem nicht daran hält, „fliegt dann raus“, hatte ein Bäder-Sprecher der Hansestadt angekündigt.

Hausverbote habe es nach Voß Kenntnis auch bereits in anderen Städten in Deutschland – etwa in Mönchengladbach, Leipzig, Freiburg und Worms – gegeben, sagte der Experte, der bundesweit Bäderpersonal schult. Probleme mit abgelenkten Eltern durch das Handy träten seit etwa zwei Jahren vermehrt auf, sagte er. „Es geht nicht um fünf Minuten. Das Kind steht eine Dreiviertelstunde beim Schwimmmeister und wird von niemandem vermisst.“

„Für die Kinder geht es dabei um Leben oder Tod“, sagte er. Die Kinder könnten in sehr kurzer Zeit ertrinken. Ein komplettes Handy-Verbot im Bad sei nicht durchsetzbar. „Dann hätten wir keine Kunden mehr.“ Bäder werben aber in Flyern dafür, das Handy in der Tasche zu lassen und die Kinder ins Wasser zu begleiten. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen mit Sitz in Essen vertritt als Verband nach eigenen Angaben rund 1000 Badbetreiber in Deutschland.

In München kennt man das Problem aber offensichtlich nicht in der Vehemenz: „Wir haben bisher keine Häufung der beschriebenen Problematik festgestellt. Aus diesem Grund gibt es bei uns auch keine entsprechenden Vorschriften. Sollte unseren Kollegen vor Ort eine Verletzung der Aufsichtspflicht auffallen, weisen sie die Erziehungsberechtigten darauf hin. In den meisten Fällen sind diese einsichtig und kommen ihrer Aufsichtspflicht nach. Deswegen besteht dann kein zusätzlicher Handlungsbedarf mehr“, heißt es von den Stadtwerken, die für die Münchner Bäder verantwortlich sind.

Langfristig ist der wichtigste Schutz vor Ertrinken das Schwimmenlernen. Experten aus den USA empfehlen deshalb, Kinder bereits mit einem Jahr in einen Schwimmkurs zu schicken. In Deutschland gibt es dazu keine offizielle Empfehlung. Die DLRG empfiehlt Schwimmunterricht ab etwa fünf Jahren.

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