Migräne plagt viele Menschen in Deutschland, doch klassische Schmerzmittel helfen oft nicht. © Ravlo/imago
Dresden/Fürth – Hämmernde, pulsierende Kopfschmerzen, Überempfindlichkeit gegen Licht, Geräusche und Gerüche, Übelkeit bis hin zum Erbrechen: Migräne plagt viele. Laut einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 sind 14,8 Prozent der Frauen und 6 Prozent der Männer in Deutschland von Migräne betroffen. Die zahlreichen Beschwerden, die mit einer Migräne einhergehen, sind dabei ebenso vielfältig wie die Liste möglicher Auslöser. Das macht ihre Behandlung schwierig.
Viele Betroffene greifen oft zu klassischen Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Paracetamol oder ASS. Ein Übergebrauch könne aber selbst Kopfschmerzen auslösen, warnt Gudrun Goßrau, Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG): „Als Faustregel gilt, dass man diese an nicht mehr als neun Tagen pro Monat nehmen sollte.“ Zumal gerade bei schwerer Migräne diese Schmerzmittel oft nichts bringen.
In diesen Fällen könnten spezielle Migränemedikamente – Triptane – zum Einsatz kommen, erklärt Christian Maihöfner, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Fürth. Diese gebe es mittlerweile in verschiedenen Darreichungsformen: „Triptane können als Spritze, als Tablette oder mittlerweile sogar als Nasenspray verabreicht werden.“ Letzteres sei bei Migräne mit Übelkeit von Vorteil.
Seit Kurzem steht nun eine neue Wirkstoffklasse zur Verfügung: Die sogenannten Ditane sollen vor allem jenen helfen, die aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einem Schlaganfall auf Triptane verzichten sollten.
Ditane wirken ähnlich wie Triptane, indem sie – vereinfacht gesagt – Nerven daran hindern, Substanzen freizusetzen, die Migräne auslösen. Zu eben jenen neurologischen Auslösern habe sich das Verständnis zuletzt deutlich verbessert, sagt Maihöfner: „Heute gehen wir davon aus, dass entzündliche Vorgänge an der harten Hirnhaut eine Rolle spielen: Bestimmte Nervenfasern können eine Entzündung auslösen, wobei das sogenannte CGRP – Calcitonin Gene-Related Peptide – besonders wichtig ist.“ CGRP sorge dafür, dass sich Gefäße an der harten Hirnhaut weiten, was wiederum die Schmerzverarbeitung wichtiger Nervenfasern reize.
„Die Identifikation der Schlüsselrolle dieses Neuropeptids hat einen Durchbruch in der vorbeugenden Migränetherapie ermöglicht: nämlich die Entwicklung sogenannter CGRP-Antikörper“, so Maihöfner. Aktuell seien in Deutschland vier Mittel zugelassen, die entweder den CGRP-Rezeptor blockieren oder den Botenstoff selbst abfangen: „Diese gehören aber in die Hand von Neurologen oder Schmerztherapeuten, die sich damit gut auskennen.“
Bald schon könnten zudem auch Medikamente aus der Wirkstoffklasse der Gepante auf den deutschen Markt kommen. Diese kleinen Moleküle werden oral verabreicht, blockieren den CGRP-Rezeptor – und stellen eine weitere Option im immer individuelleren Arsenal der Migränetherapien dar.
Bevor Prophylaxe-Medikamente genommen würden, sollten allerdings nicht medikamentöse Optionen versucht werden. „Hier spielen Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung eine wichtige Rolle, aber auch Meditation und Achtsamkeit“, zählt Maihöfner auf. Ebenso könne Ausdauersport in Form von Schwimmen, Joggen oder Nordic Walking helfen. Außerdem sollte man die Wichtigkeit eines regelmäßigen Tagesablaufs nicht unterschätzen, so Goßrau. „Zur gleichen Zeit essen, zur gleichen Zeit und ausreichend schlafen, den Alltag nicht zu voll packen: Gerade bei wiederkehrender Migräne ist das wichtig.“
ALICE LANZKE