Gesunde Korallen und Riffe gibt es immer seltener im Meer. Auch in der Adria nimmt die Artenvielfalt zusehends ab. © Probst/Imagebroker/Imago
Der Meeresboden vor Sloweniens Küstenstadt Piran gleicht einer Schlammwüste. Die Schifffahrt und Kultivierung des Flussdeltas für die Landwirtschaft haben ihre Spuren in der Adria hinterlassen. Das habe auch der Meeresbiologe Ugo Fonda erkannt, der den Verlust der Biodiversität nicht hinnehmen wollte. Bereits vor Jahren begann er an einem künstlichen Riff zu tüfteln, doch der Slowene starb, bevor er seine erste Konstruktion zu Wasser lassen konnte. Nun setzen seine Nachkommen das Projekt fort – mit ersten Erfolgen.
„Die Idee des künstlichen Riffs entstand vor mehr als 30 Jahren“, erzählt Tochter Irena Fonda. In den künstlichen Riffen sollten sich nicht nur Fische ansiedeln, sondern auch filtrierende Tierchen, die die Bucht natürlich reinigen. Einzig: Der Plan scheiterte an der Bürokratie. Dutzende Konstrukte von knapp 20 Quadratmetern Fläche und drei Metern Höhe im Meer einbetten? Dafür gab es weder eine gesetzliche Grundlage noch einen wirtschaftlichen Nutzen. Und somit keine Genehmigung.
Die Biologenfamilie konzentrierte sich zunächst auf die Fischzucht – ein Kompromiss. Denn nachhaltig bewirtschaftet, wurden die Netzkörbe in der Bucht gleichzeitig zu Rückzugsorten für Larven, Weichtiere, wilde Fische und Krabben. „Sie können sich nicht am Schlamm festsetzen. Doch sobald sie einen noch so winzigen Untergrund haben, sammeln sie sich dort an.“ 2021 gründeten Irena und ihr Bruder Lean Fonda dann die Nichtregierungsorganisation You(r)Sea, um das erste künstliche Riff zu Wasser zu lassen – diesmal mit entsprechender Genehmigung.
„Die Bauweise erinnert an übereinandergestapelte Legosteine. Sie wurde an das Verhalten der Tiere angepasst und simuliert ein Korallenriff als Hotspot der Biodiversität“, beschreibt Fonda das künstliche Riff. Es bestehe aus Beton, Eisen und Kalk und ist etwas größer als ein Klein-Lkw. Nach den Plänen ihres Vaters habe Fonda das Kunst-Riff im März 2023 vor der Küste Pirans zwölf Meter unter der Meeresoberfläche versenkt. Seitdem zieht es einige Bewohner an: Moostierchen, Schnecken und seltene Fische.
Dass das Projekt „Piran Sea Oasis“ (Meeresoase von Piran) langfristig die Ursachen für die fehlende Biodiversität beheben kann, hält der Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Universität Wien aber für fraglich. Probleme wie Überfischung, marine Hitzewellen oder invasive Arten könne es wohl kaum eindämmen. Jedoch sei es ein „wohlmeinendes Projekt, das sicher, wie alle solche Strukturen, besiedelt wird und die Biodiversität lokal erhöhen wird“.
Dass vor allem die Überfischung inzwischen ein großes Problem für die Adria ist, hat auch die Nicht-Regierungsorganisation World Wide Found (WWF) erkannt. Mit dem Slogan „Auch das Meer braucht mal Urlaub!“ hat das Regionalbüro in Zagreb (Kroatien) eine Kampagne gestartet, die das Ziel hat, einen Wandel entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Fischprodukten anzustoßen – vom lokalen Fischereibetrieb bis zum Kunden in Deutschland.
Irena Fonda will ihr Riff-Projekt zudem weiter vorantreiben: Die „Piran Sea Oasis“ sei nur der Anfang. „Unser Ziel ist es, 20 davon herzustellen. Aber nicht die gleichen, sondern an unsere Beobachtungsergebnisse angepasst und verbessert.“ Zudem soll sie zum Botschafter für alle Meeresbewohner werden.
MARKUS SCHÖNHERR