Beinahe-Katastrophe in Dresden

von Redaktion

Korrosion: Ein Teil der Carolabrücke stürzt in der Nacht in die Elbe

Ein Archiv-Foto der Carolabrücke in Dresden. Sie gilt als eine der wichtigsten Verkehrsadern in der Stadt. Sie wurde 1971 gebaut. © Imago

In Dresden ist in der Nacht zu Mittwoch die Carolabrücke zum Teil eingestürzt. Am nächsten Tag kamen viele Schaulustige zum Unglücksort. © Schumann/epd

Dresden – Nur knapp ist Dresden beim teilweisen Einsturz der Carolabrücke einer großen Katastrophe entgangen. Ein etwa 100 Meter langes Stück, über das Straßenbahngleise sowie ein Fuß- und Radweg führten, stürzte mitten in der Nacht in die Elbe. Ein weiterer Abschnitt ist weiterhin einsturzgefährdet. Zum Glück wurde niemand verletzt oder gar getötet. Die Polizei sieht keine Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung – sie geht von einem Unglück aus.

Als Holger Kalbe, Verantwortlicher für die Sicherheit aller Brücken in Dresden, am Morgen vor die Presse tritt, wirkt er sichtlich erschüttert. „Glauben Sie mir, das ist ein Morgen, den wollen Sie nie erleben“, sagte der Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke bei der Stadt Dresden.

Die Carolabrücke in Dresden gilt als eine der wichtigsten Verkehrsadern in der Stadt, in der Innenstadt überspannt sie die Elbe. Der Einsturz ist ein Unheil, das noch schlimmer hätte enden können: Nur 18 Minuten vor dem Teileinsturz hat die letzte Straßenbahn die Brücke passiert. Die Straßenbahn sei um 2.50 Uhr über die Brücke gefahren, die Brücke sei um 3.08 eingestürzt, teilten die Verkehrsbetriebe mit.

Die ersten Informationen zum Brückeneinsturz bei der Polizei kamen in der Nacht von den eigenen Kollegen: „Bei uns ging heute kurz nach 3.00 Uhr die erste Meldung ein. Das waren unsere eigenen Kollegen, die 50 Meter entfernt an der jüdischen Synagoge Objektschutzmaßnahmen durchführen“, berichtete Polizeisprecher Thomas Geithner. „Sie haben es beschrieben als großes, schweres Geräusch. Der Boden hat gewackelt.“

Die Carolabrücke ist eine Spannbetonbrücke aus dem Jahr 1971. Zwei ihrer Brückenzüge, die Teile A und B, wurden in den vergangenen Jahren bereits saniert. Eingestürzt ist nun der Teil C, der im nächsten Jahr saniert werden sollte. „Das ist ein Risiko, mit dem wir uns seit vielen Jahren auseinandersetzen“, sagte Abteilungsleiter Kalbe. „Dass der Zustand im Zug C so schlimm ist, dass es zum Einbruch gekommen ist, das war nicht voraussehbar.“

Die Ermittlungen zur genauen Unglücksursache laufen noch, aber Holger Kalbe äußerte zumindest eine Vermutung: Korrosion könnte verantwortlich sein – eine Folge von mangelhafter Wartung in der Vergangenheit. „Wir haben hier zu DDR-Zeiten massiven Chlorid-Eintrag gehabt“, sagte Kalbe. An der Stelle, wo das Brückenteil einbrach, habe ein Mast der Verkehrsbetriebe gestanden. Es sei denkbar, „dass an der Stelle massiv die Chloride eingedrungen sind und dort im Inneren der Brücke zu einer Korrosion der Bewehrung geführt haben.“

Laut Feuerwehr hat sich am Brückenkopf auf der Seite der Altstadt ein etwa ein Meter langer Spalt gebildet. Als der Einsatzleiter Michael Klahre in der Nacht die Lage sondierte, habe es plötzlich einen lauten Knall gegeben, berichtete er. Zwei Fernwärme-Leitungen barsten. Das ausströmende Wasser setzte Teile des Terrassenufers komplett unter Wasser. Zunächst fiel im gesamten Stadtgebiet die Fernwärme aus. Nach und nach versuchte der zuständige Energieversorger, die einzelnen Stadtteile wieder ans Netz zu bringen.

Die Polizei sperrte den Einsturzort großräumig ab. Der Autoverkehr und Straßenbahnen wurden umgeleitet. Menschen sollten sich möglichst fernhalten. Trotzdem versammelten sich hunderte Schaulustige an der Elbe, um einen Blick auf die eingestürzte Brücke zu erhaschen. Die noch stehenden Brückenteile können bis auf Weiteres nicht genutzt werden. Es werde keine kurzfristige Freigabe der beiden übrigen Brückenzüge geben, sagte Kalbe.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist erleichtert, dass beim Einsturz der Dresdner Carolabrücke keine Menschen zu Schaden kamen. „Es ist glimpflich abgegangen“, sagte er bei einer Veranstaltung in der Landeshauptstadt. Es sei nicht auszudenken, wenn es am Tag passiert, Straßenbahn und Autos auf der Brücke gewesen wären. Er habe „richtig Gänsehaut“ bei „dieser schrecklichen“ Vorstellung.

Die Katastrophe müsse nun ausgewertet und geklärt werden, was die Ursache war. Da vertraue er auf die Stadt.

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