Der amerikanische Forscher Victor Ambros. © dpa
Der amerikanische Molekularbiologe Gary Ruvkun. © dpa
Stockholm/Berlin – Am Montag hat in Stockholm die Bekanntgabe der diesjährigen Nobelpreisträger begonnen. Für den Medizin-Nobelpreis steht die Entscheidung fest: Er geht in diesem Jahr an die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Ihre Forschung hat weitreichende Auswirkungen auf mehrere medizinische Bereiche. Wenn die Genregulation aus dem Ruder läuft, kann dies zu schweren Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Autoimmunität führen. Daher ist das Verständnis der Regulierung der Genaktivität seit vielen Jahrzehnten ein wichtiges Ziel. Lange Zeit wurde geglaubt, dass deren wichtigste Prinzipien geklärt seien. Doch 1993 veröffentlichten Ambros und Ruvkun unerwartete Ergebnisse, die eine neue Ebene der Genregulierung beschreiben, die sich als äußerst bedeutsam und in der gesamten Evolution konserviert erwies. Im Fadenwurm Caenorhabditis elegans entdeckten die diesjährigen Nobelpreisträger microRNA – und damit ein „völlig neues Prinzip der Genregulation“, so das Nobelpreis-Komitee in seiner Begründung. „Es stellte sich heraus, dass dies für mehrzellige Organismen, einschließlich des Menschen, von wesentlicher Bedeutung ist.“ MicroRNA erweise sich als grundlegend für die Entwicklung und Funktion von Organismen. Die entdeckte Genregulierung sei seit hunderten Millionen Jahren im Einsatz. Der Mechanismus habe die Evolution von immer komplexeren Organismen ermöglicht.
Victor Ambros (geboren 1953) arbeitet an der University of Massachusetts Medical School, Gary Ruvkun (geboren 1952) an der Harvard Medical School sowie am Massaschusetts General Hospital.
Ruvkun äußerte sich im schwedischen Radiosender SR überwältigt, nachdem er mitten in der Nacht den Anruf des Nobelpreiskomitees bekommen hatte: „Das ist eine große Sache. Wirklich groß. Es ist ein Erdbeben“, sagte der 72-Jährige, der Professor an der Harvard Medical School ist. „Unser Hund ist völlig verwirrt, weil wir im Haus herumrennen, obwohl es draußen stockdunkel ist.“
Die bedeutendste Auszeichnung für Mediziner ist wie im Vorjahr mit 11 Millionen schwedischen Kronen (knapp 970 000 Euro) dotiert. Sie geht je zur Hälfte an die beiden Forscher.
Im vergangenen Jahr hatten die in Ungarn geborene Biochemikerin Katalin Karikó und der US-Immunologe Drew Weissman den Medizin-Nobelpreis für ihre beharrlichen Vorarbeiten zur Entwicklung sogenannter mRNA-Impfstoffe gegen Corona bekommen. Sie hätten mit ihrer Forschung „zu dem beispiellosen Tempo der Impfstoffentwicklung während einer der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit in moderner Zeit“ beigetragen, hatte das Karolinska-Institut mitgeteilt.
Seit 1901 haben 227 Menschen den Medizin-Nobelpreis erhalten, darunter 13 Frauen. Der erste ging an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung einer Therapie gegen Diphtherie. 1995 erhielt als erste und bislang einzige deutsche Frau Christiane Nüsslein-Volhard diese Auszeichnung für ihre Arbeit zur genetischen Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung.
Mit dem Medizin-Preis startete der Nobelpreis-Reigen. Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Preises benannt. Es folgen die für Literatur und für Frieden. Die Reihe der Bekanntgaben endet am kommenden Montag mit dem sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis.