Die Wut nach der Flut

von Redaktion

Unmut in Spanien nach den Unwettern mit über 200 Toten

Viele Flutopfer brauchen dringend Essen und Trinken. Freiwillige organisieren die Verteilung von Lebensmitteln.

In den Straßen von Sedaví stapeln sich weiter die Autos. Menschen können deshalb ihre Wohnungen nicht verlassen. © Quintero/AFP (2)

Hunderte Freiwillige sind auf dem Weg, um den Flutopfern in Valencia zu helfen. © Escobar/epa

Unter den Menschen in Sedaví herrscht pure Verzweiflung. Der Ort bei Valencia wurde von dem Jahrhundert-Unwetter besonders stark getroffen. © Quintero/AFP

Madrid – Die warme Sonne am blauen Himmel trügt: In dem 10 000-Seelen-Ort Sedaví in der Provinz Valencia südlich der gleichnamigen Großstadt herrscht unter den Einwohnern derzeit nur Verzweiflung. Dort rauschte das Wasser durch die Straßen, zerstörte Häuser und türmte Autos auf, die jetzt Hauseingänge blockieren, sodass Bewohner ihre Wohnungen nicht verlassen können.

„Ich kenne mindestens 30 Menschen, die beinahe ums Leben gekommen wären“, sagt ein Anwohner sichtlich mitgenommen der Zeitung „El País“. Ein anderer bricht im Beisein einer Reporterin des Staatssenders RTVE vor laufender Kamera fast in Tränen aus und sagt: „Niemand kommt, um die Autos wegzuziehen oder uns irgendetwas zu bringen. Man hat uns aufgegeben.“ Die Menschen bräuchten Essen, Kleidung und Schaufeln, um selbst die Erdmassen wegschaufeln zu können.

Die schweren Unwetter vom Dienstag hatten vor allem in der Mittelmeerregion Valencia gewütet. Allein in der gleichnamigen Provinz kam ein Großteil der bisher bestätigten 205 Menschen ums Leben. Auch andere bei Touristen beliebte Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha im Landesinneren erlebten Stunden des blanken Entsetzens.

Die extremen Niederschläge hatten binnen weniger Stunden zahlreiche Flüsse in reißende Ströme und Straßen in Flüsse verwandelt, die Häuser zerstörten und Bäume, Menschen sowie Fahrzeuge mit sich rissen. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem „historischen Unwetter“, dem schlimmsten dieser Art in der Region Valencia.

Nach der Bergung dutzender weiterer Leichen am Donnerstag wurden Medien zufolge immer noch Menschen vermisst. Wie viele es sind, dazu geben die Behörden keine Zahlen bekannt. Verteidigungsministerin Margarita Robles sprach vormittags von „vielen Menschen“, über deren Schicksal man noch gar nichts wisse. Danach wurden aber mehr als 60 neue Leichen entdeckt und geborgen. Die Identifizierung der Opfer stand noch aus. Die Suche nach Vermissten geht derweil weiter. Alleine mehr als 1700 Soldaten sind dafür im Einsatz. „Wir mussten einen Supermarkt ausräumen, um Lebensmittel an die Bevölkerung zu verteilen“, sagte der Bürgermeister des Orts Alfafar, Juan Ramón Adsuara, dem Fernsehsender À Punt in der Provinz Valencia. In der Gemeinde mit 20 000 Einwohnern gebe es noch Menschen, die mit Leichen in ihren Häusern lebten. Einwohner, freiwillige Helfer und Rettungsdienste schafften Schlamm, Schutt und weggespülte Autos von den Straßen.

Die Katastrophe hat eine Debatte darüber ausgelöst, wie sich solche Tragödien künftig verhindern lassen. Experten fordern eine umfassende Überprüfung und Verbesserung der Hochwasserschutzpläne. Die Situation in der Mittelmeerregion habe sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, insbesondere durch das massive Bevölkerungswachstum, den Tourismusboom und die damit verbundene Bauwut. Zumal Extremwetterereignisse wie diese durch den Klimawandel immer wahrscheinlicher würden, heißt es.

Der Aktionsplan zur Verhütung von Hochwasserrisiken wurde in Valencia zuletzt 2015 aktualisiert. Dort wird festgehalten, dass zwölf Prozent der sogenannten Autonomen Gemeinschaft (entspricht einem Bundesland in Deutschland) mit 600 000 Bewohnern hochwassergefährdet sind. José Vicente Sánchez Cabrera, Professor für Raum- und Stadtplanung an der Universität Valencia, sieht dringenden Handlungsbedarf, da das Risikogebiet inzwischen viel größer sei: „Man muss die Pläne aktualisieren“, forderte er.

Diskutiert wurde auch über die Frage, ob die Behörden die Bürger zu spät gewarnt haben. Fest steht: Der Wetterdienst Aemet rief bereits am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr die höchste Warnstufe aus, was sehr hohe Gefahr bedeutet. Aber es stimmt auch, dass die Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag erst kurz nach 20 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia gingen. Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen.

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