In Valencia entlädt sich die Wut

von Redaktion

Königspaar mit Schlamm beworfen –Tausende Helfer in den Flutgebieten

„Mörder“-Rufe: Die Menschen in der Unglücksregion um Valencia sind wütend und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. © Quintero/AFP

Die Autos stecken tief im Schlamm. In ihnen suchen Helfer nach Vermissten. © Jordan/AFP

Königin Letizia weint beim Besuch in Paiporta bei Valencia. Die Menschen hatten sie zuvor beschimpft und mit Schlamm beworfen. © Escobar/epa

Valencia – Sie sind wütend, verzweifelt und fühlen sich im Stich gelassen. Beim Besuch der Unglücksregion um Valencia sind König Felipe und seine Frau Letizia von Spaniern mit Schlamm, Steinen und Stöcken beworfen worden. 272 Menschen sind bisher in den Fluten gestorben. Das Königspaar war deshalb am Sonntag gemeinsam mit Regierungschef Pedro Sánchez und Regionalpräsident Carlos Mazón nach Paiporta gefahren. In der Gemeinde nahe der Stadt Valencia riefen einige Bewohner „Mörder“ und „Rücktritt“ in Richtung der Gruppe. Die Stimmung in dem Ort, der zu den am schlimmsten verwüsteten gehört, war sehr angespannt gewesen, wie der staatliche Sender RTVE berichtete.

Viele Menschen gelten in der Region weiter als vermisst – eine offizielle Zahl gibt es nach wie vor nicht, aber einige spanische Medien schreiben sogar von bis zu 2000.

Das Unwetterphänomen „Kalter Tropfen“ hält sich derweil weiter über Spaniens Mittelmeerküste auf. Die höchste Warnstufe Rot rief der Wetterdienst Aemet zunächst bis Sonntagabend für Teile der Provinz Almería in der Region Andalusien ganz im Süden Spaniens aus. Menschen sollten dort möglichst zu Hause bleiben, mahnten die Behörden.

Rund 70 valencianische Dörfer sind nach wie vor mit einer Schlammschicht überzogen, die die Sturzfluten hinterließen. Die Stromversorgung wurde größtenteils wieder hergestellt. Doch vielerorts funktionieren die Telekommunikationsnetze immer noch nicht; es fehlt an Lebensmitteln und Trinkwasser. Viele ältere Menschen kommen nicht an ihre dringend notwendigen Medikamente. Mütter suchen verzweifelt nach Milch und Babynahrung. Doch das sei nur das geringere Problem, meint Juan Ramon Adsuara, der Bürgemeister von Alfafar: „Es gibt Menschen, die mit Leichen zu Hause sitzen, die nicht abgeholt werden können, weil die Rettungsdienste nicht bis zu ihnen vorstoßen können.“

Obwohl die Zentralregierung an diesem Wochenende 10 000 weitere Soldaten und Polizisten in die Überschwemmungsgebiete schickte, werden die kritischen Stimmen über die nur schleppend eintreffende Hilfe immer lauter. „Wenn die Rettungsdienste nicht angekommen sind, liegt das nicht an einem Mangel an Mitteln oder Bereitschaft, sondern an Zugangsproblemen“, stellte Valencias Regionalpräsident Carlos Mazon klar.

Viele kritisieren jedoch auch, dass das Warnsystem viel zu spät einsetzte. Ministerpräsident Sanchez rief unterdessen mit Blick auf die gegenseitigen Schuldzuweisungen alle auf, die Diskrepanzen beiseitezulassen. „Gemeinsam stehen wir das durch“, sagte Sanchez.

Sein Aufruf war aber nahezu überflüssig. Eine gewaltige Solidaritätswelle ist bereits im vollen Gang. Mehr als 15 000 Helfer haben sich am Wochenende von der Regionalhauptstadt mit Schaufeln, Besen und Eimern teilweise zu Fuß in die betroffenen Gemeinden aufgemacht. Die 90 Busse vor dem Krisenkoordinierungszentrum reichten bei weitem nicht aus, um nur einen Bruchteil der Helfer in die Überschwemmungsgebiete zu bringen. „Wenn Du in die Häuser gehst, um Hilfe anzubieten, brechen die Menschen in Tränen aus“, sagte der 22-jährige Student Pablo, der zusammen mit Freunden zwei Stunden von Valencia bis nach Catarroja gegangen ist, um den Betroffenen zu helfen.

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