Eine Überwachungskamera hält die Explosion fest.
Die Maschine aus Leipzig ist kurz vorm Flughafen Vilnius abgestürzt.
Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine Maschine der spanischen Airline Swift Air. © Symbolbild/dpa
Brennende Pakete und Trümmerteile: Noch weiß man nicht, warum der Frachtflieger abgestürzt ist. © MALUKAS/afp
Vilnius – Es ist ein rätselhafter Absturz, der ganz Europa in helle Aufregung versetzt. In den frühen Morgenstunden am Montag, kurz vor Sonnenaufgang, macht sich eine Boeing 737 aus Leipzig bereit für den Landeanflug auf den Flughafen Vilnius, Litauen. Die Maschine ist im Auftrag des Postdienstleisters DHL unterwegs. Doch nur einen Kilometer vor der Landebahn stürzt das Frachtflugzeug ab, streift ein Wohnhaus, in dem drei Familien schlafen. Ein Feuerball steigt auf, die Bewohner können aus dem brennenden Gebäude gerettet werden. Für ein Besatzungsmitglied, einen Spanier, kommt jede Hilfe zu spät. Die anderen Insassen, ein weiterer Spanier, ein Deutscher und ein Litauer, werden verletzt ins Krankenhaus gebracht.
Die Behörden gehen zunächst von einem Unfall aus, von einem technischen Defekt oder menschlichem Versagen. Doch ein Verdacht kann nicht ausgeschlossen werden: Terror. Erst im Sommer hatten das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) vor „unkonventionellen Brandsätzen“ gewarnt, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Damals hatte ein Paket aus dem Baltikum im DHL-Zentrum Leipzig Feuer gefangen, weil es einen Brandsatz enthielt. Das Paket hatte einen ganzen Frachtcontainer in Brand gesetzt. Einen ähnlichen Fall gab es auch im englischen Birmingham. In Sicherheitskreisen geht man von russischer Sabotage aus.
Der Vorfall vom Sommer nährt nun den Verdacht, dass auch beim Absturz des DHL-Flugzeugs der Kreml seine Finger im Spiel gehabt haben könnte. Bislang gebe es zwar keine Hinweise darauf, dass Sabotage oder ein Terroranschlag zu dem Unglück geführt habe, sagte der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas gestern. Man könne das aber auch nicht ausschließen.
Kasciunas sagte, erst nachdem die ermittelnden Beamten mit den überlebenden Besatzungsmitgliedern gesprochen und den Flugschreiber ausgewertet hätten, werde klar sein, was geschehen sei. Auch in Deutschland ermitteln die Sicherheitsbehörden. Man stehe dazu „im engen Austausch mit den beteiligten Stellen im In- und Ausland, um den Sachverhalt schnellstmöglich aufzuklären“, hieß es in deutschen Sicherheitskreisen.
Polizeichef Arunas Paulauskas machte keine Hoffnung auf umgehende Antworten. Die Besichtigung des Tatorts, die Beweisaufnahme und die Sammlung von Informationen und Objekten könne eine ganze Woche dauern. „Diese Antworten werden nicht so schnell kommen“, sagte er.
Bis dahin kann nur gemutmaßt werden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte mehrfach, dass die Behörden in Deutschland und Litauen bei ihren Ermittlungen derzeit alle Möglichkeiten prüften. „Das unterstreicht, in was für Zeiten wir leben.“ In Europa habe es in jüngster Zeit mehrfach „hybride Angriffe“ auf einzelne Personen oder Infrastruktur gesehen.
Auch der Vize-Vorsitzende des Geheimdienste-Kontrollgremiums des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), hält einen russischen Angriff für möglich: „Auch wenn es aktuell noch nicht aufgeklärt ist, es ist zumindest wahrscheinlich, dass es sich um eine russische Sabotage und somit Terror handeln könnte, da Nachrichtendienste und Partner eindringlich davor gewarnt haben“, sagte er dem „Handelsblatt“.