Ältere Autofahrer verursachen häufiger Unfälle als jüngere. Allerdings sind die Ursachen oft andere. © Kästle/dpa
Wiesbaden – Ältere Menschen sind statistisch gesehen vergleichsweise selten in Verkehrsunfälle mit Personenschaden verwickelt – sie sterben jedoch deutlich häufiger durch sie als jüngere. Die Wahrscheinlichkeit für über 65-Jährige, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, ist höher als bei Jüngeren, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Im Jahr 2023 verunglückten insgesamt 53 093 Menschen im Alter von 65 oder mehr Jahren im Straßenverkehr. 1071 von ihnen wurden getötet, weitere 11 485 schwer verletzt.
„Mehr als jeder dritte Verkehrstote ist über 65“, sagte Kirsten Lühmann, Präsidentin der Deutschen Verkehrswacht. Das sei dramatisch. Es gebe verschiedene Gründe für die hohen Zahlen: Im Alter würden etwa Verletzungen schwerwiegender. „Was bei einem jungen Menschen vielleicht mit einem einfachen Armbruch und vier Wochen Schonzeit gemacht ist, ist bei einem älteren Menschen dramatisch mit langer Liegezeit und Folgeschäden verbunden, teilweise auch bis zum Tod.“
Zum anderen lasse die körperliche Leistungsfähigkeit nach – das spiegele sich auch im Verkehrsverhalten wider. Untersuchungen der Verkehrswacht hätten ergeben, dass ältere Autofahrer in einfachen Verkehrssituationen nicht schlechter reagierten als jüngere. Schwierig werde es bei komplexen Situationen, in denen mehrere Sachen gleichzeitig auf Fahrer einprasselten, etwa an unübersichtlichen Kreuzungen.
Christopher Spering, Unfallchirurg an der Universitätsmedizin Göttingen, sieht das Problem auch im Verkehrsraum Deutschland. Der sei völlig überfüllt. Das sorge dafür, „dass sich Menschen zunehmend nicht mehr sicher bewegen können, weil sie nicht mehr so schnell reagieren und ihre Sinneswahrnehmungen sie überfordern können“.
Der große Faktor seien aber nicht die Auto fahrenden Senioren, sondern die „ungeschützten Verkehrsteilnehmer“, also Fußgänger und Radfahrer. Da komme auch die E-Mobilität ins Spiel, „die jetzt zum Beispiel 80- oder 90-Jährigen ermöglicht, mit einem Pedelec zu fahren, das sie auf eine Geschwindigkeit beschleunigt, die sie selbst per eigener Muskelkraft gar nicht mehr schaffen könnten“, sagte Spering. Auch da fehle oft die Fähigkeit, frühzeitig zu reagieren oder angepasst zu fahren – die Folge seien zum Teil schwere Unfälle.
Ein weiteres Problem laut Spering: Medikamente, damit wir mobil bleiben können im Alter. Früher seien Menschen schneller und öfter an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gestorben, heutzutage werde dem Risiko bei Herzrhythmusstörungen schon präventiv mit einem Blutverdünner begegnet. „Wenn ein älterer Mensch auf den Kopf stürzt, kann das schon tödliche Folgen wie massive Hirnblutungen haben, aufgrund dieser Medikation.“
Grundsätzlich sind laut Bundesamt ältere Menschen statistisch gesehen vergleichsweise selten in Verkehrsunfälle mit Personenschaden verwickelt. Sind sie aber daran beteiligt, tragen sie deutlich häufiger die Hauptschuld als jüngere Fahrer. 2023 sind den Angaben zufolge in mehr als zwei Dritteln der Fälle (68 Prozent) über 65-Jährige die Hauptverursacher gewesen. Bei den 75-Jährigen und Älteren waren drei Viertel der Unfallbeteiligten auch die Hauptverursacher. Zum Vergleich: Bei den unter 65-jährigen Autofahrern wurde nur etwa der Hälfte die Hauptschuld zugewiesen.
„Die Leistungsfähigkeit ist etwas, was bei älteren Menschen einfach nachlässt, und zwar bei so gut wie allen“, sagt die Verkehrswacht-Präsidentin Lühmann. Diskussionen um Führerscheinentzug hält sie für überzogen. Freiwillige Abgaben, wenn der Fahrer sich selbst nicht mehr in der Lage sieht zu fahren, seien aber umso wichtiger.