Der Premierminister weiht die U-Bahn ein. © Papanikos/dpa
Ganz ohne Fahrer: Die Metro in Thessaloniki fährt von selbst. In der ersten Reihe sitzen Passagiere. © Mitrolidis/AFP
Pendler bestaunen eine archäologische Ausgrabungsstätte in der U-Bahnstation Venizelou in Thessaloniki während des Eröffnungstages der Metro. © Papanikos/dpa
Thessaloniki – Was für die Berliner der Flughafen und für die Münchner die zweite Stammstrecke ist, war für die Menschen in der griechischen Stadt Thessaloniki lange Zeit die Metro. Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie im Jahr 1976. Mehr als zehn Jahre später erfolgte 1987 dann der erste Spatenstich. Von da an war das Projekt eine Dauerbaustelle und für die Griechen ein beliebtes Aufreger-Thema als Paradebeispiel für die Misswirtschaft.
Nun endlich konnten die Griechen einen Strich darunter ziehen. Denn nach 48 Jahren wurde die Metro Thessaloniki endlich feierlich eröffnet. Trotz lediglich einer einzigen Linie mit 13 Stationen dürfte sie schon jetzt zu den schönsten Metros der Welt gehören: Viele der hochmodernen Stationen sind nämlich eindrucksvoll in antike Stätten eingebettet.
Und das war auch der Hauptgrund, weswegen die Fertigstellung der U-Bahn fast ein halbes Jahrhundert angedauert hat und es während der Bauarbeiten zu zahlreichen Verzögerungen kam. Immer wieder stießen die Bauarbeiter im Untergrund auf archäologische Artefakte bis hin zu antiken Straßen und Gebäudemauern. In Griechenland wenig überraschend, gehört das Land nach Italien doch zu den Ländern Europas, in denen man die meisten kulturhistorischen Artefakte findet. So auch an den Stellen, wo die Metro-Linie gebaut werden sollte.
Immer wieder hat der Zentrale Archäologische Rat (KAS) den Bauingenieuren und Architekten Einhalt geboten. Jedes Mal rückte sodann eine ganze Herrschar an Altertumsexperten, Byzantinisten, Fachverbänden und Bürgerinitiativen an, um die Funde zu evaluieren – und jedes Mal mussten die Bauarbeiten teils für Monate und sogar Jahre gestoppt werden. Oft stand das Metro-Projekt auf der Kippe. Nicht selten, stellten sich die Verantwortlichen auch die Frage, ob man gewisse Stationen doch woandershin verlegen sollte. Doch sie hielten an ihrem Plan fest.
Am Ende der langen Zeit konnte sich die Sammlung der Archäologen sehen lassen: rund 300 000 Gegenstände, Säulen, Wandstücke und Marmor-Artefakte wurden ausgegraben und restauriert und – das ist der Geniestreich in der ganzen Geschichte – einfach in die Metro-Stationen integriert. Am eindrucksvollsten ist dieses Vorgehen an der Station Venizelou im Stadtzentrum zu bestaunen: Mit 3500 Quadratmetern Fläche gleicht sie eher einem Museum als einer Metro-Haltestelle. Es handelte sich ursprünglich um eine Kreuzung der spätantiken Hauptstraße Decumanus Maximus mitsamt Toranlage, Fundamenten von Geschäften und Werkstätten sowie Säulen und Artefakten.
Entsprechend ist die Eröffnung ein „historischer Moment“, findet Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Die Metro beweise den kulturellen Reichtum der Stadt, sagte er zur Einweihung. Die Gäste könnten nicht nur von A nach B fahren, sondern Monumente der fast 2500 Jahre alten Geschichte der Hafenstadt erleben. Und das ziemlich günstig: Die Fahrkarte kostet nur 0,60 Euro.
Doch damit nicht genug: Die neue Metro soll zu den sichersten der Welt gehören. Sie wird ohne Fahrer betrieben. Etwas, das es in Deutschland bislang nur in der Stadt Nürnberg gibt. Entlang der Bahnsteige ragen gläserne Wände in die Höhe, deren Türen sich erst öffnen, wenn der Zug hält und seinerseits die Türen öffnet. Das mutet inmitten der archäologischen Artefakte futuristisch an. Für die Menschen in der Großstadt bedeutet die Metro vor allem eine Entlastung des täglichen Verkehrs-Infarkts. Experten schätzen, dass durch die Metro künftig täglich etwa 56 000 Autofahrten vermieden werden.
ALEXIA ANGELOPOULOU