Menschen steigen im Hafen von Piräus von einer Fähre, mit der sie die Insel Santorini verlassen haben. © Baltagiannis/dpa
Der hellenische Vulkanbogen ist ein vulkanischer Inselbogen im südlichen Ägäischen Meer. Er ist ca. 450 Kilometer lang. Im Moment bebt die Erde dort fast ununterbrochen. © PMS
Athen – Griechenlands Urlaubsparadies Santorini und seine Nachbarinseln der Kykladen im Herzen der Ägäis beben seit Tagen fast im Minutentakt. Und allenthalben wächst die Sorge: Handelt es sich in erster Linie um ein tektonisches oder um ein vulkanisches Phänomen? Besteht die Gefahr eines großen Erdbebens oder eines Vulkanausbruchs mit starker Feuer- und Rauchentwicklung? Oder vielleicht beides? Droht womöglich ein Tsunami mitten in der Ägäis?
Fest steht: Seit dem 1. Februar lag die Gesamtzahl der Erdbeben in der Region bei über 550, die Zahl der Beben mit einer Stärke von mehr als vier Richtern betrug ferner gut 40. Nur: alle Beben waren eher schwach. In der Spitze bebte die Erde bis dato mit einer Stärke von 4,9. Experten sprechen von einem „Schwarmbeben“ oder „Sturm“ von Erdbeben.
Über die Natur, die Ursachen und die Zusammenhänge der Naturphänomene in der Region Santorini und dem dortigen „Vulkanbogen“ sind in Griechenland unter führenden Seismologen und Experten heftige Kontroversen entbrannt. Griechenlands führender Geologe, der Athener Universitätsprofessor Efthymios Lekkas, der zugleich als Präsident der griechischen Behörde für Erdbebenplanung und -schutz (OASP) fungiert, stellte dazu klar, dass die Erdbeben in der Region Santorini fortan zwar durchaus eine Stärke von über fünf auf der Richterskala erreichen könnten, was für die Menschen gefährlich werden könne. „Weniger wahrscheinlich“ seien jedoch Erdbeben mit einer Stärke von über 5,5. „Fast unmöglich“ seien Erdbeben mit einer Stärke von sechs und mehr in der Region, beruhigt Lekkas.
Einen Zusammenhang zwischen der bisher festgestellten intensiven seismischen Aktivität nordöstlich von Santorini und der im Vulkangebiet beobachteten Aktivität schloss Lekkas kategorisch aus. Für Lekkas steht zudem außer Frage, dass die Gefahr für Leib und Leben der Menschen sowie mit Blick auf mögliche Sachschäden auf der Urlaubsinsel Santorini mit ihren rund 15 000 ständigen Einwohnern umso geringer sei, je weiter das Epizentrum eines stärkeren Erdbebens von Santorini entfernt liegen werde.
Genau darauf geht der Forschungsdirektor von Griechenlands Geodynamischem Institut, Athanasios Ganas, ein. Ganas dazu: „Wir verfügen über aktuelle Daten, die zeigen, dass die sehr aktive seismische Aktivität nahe der Insel Anydros stattfindet“. Das macht ihn mit Blick auf mögliche Gefahren für Mensch, Tiere und Immobilien zuversichtlich. Denn die unbewohnte Kleininsel Anydrosliegt 15 Seemeilen von Santorini und zehn Seemeilen von der Insel Amorgos mit ihren rund 2000 ständigen Einwohnern entfernt.
Ferner wies Ganas darauf hin, dass die verfügbaren Daten bisher auf einen sogenannten „Cluster“ hinweisen würden. Tsunamis und Erdrutsche seien daher auszuschließen, so Ganas. „Wir haben es mit einer Erdbebenserie zu tun. Folglich werden wir kein stärkeres Erdbeben haben. Am Dienstagmorgen gab es ein Erdbeben der Stärke 4,8 auf der Richterskala und in der Nacht um 4.45 Uhr ein Beben der Stärke 4,9. Das sind gute Nachrichten, weil dies das Szenario der fortgesetzten Erdbebenserie stärkt, wir daher kein größeres Erdbeben haben und im Übrigen Erdrutsch- und Tsunamirisiken vermieden werden.“
Der Seismologe Akis Tselentis warnt: „Die seismische Aktivität lässt nicht nach, sondern intensiviert ihre Rhythmen“, so Tselentis. Tselentis erwartet ein Hauptbeben. „Die gesamte bisherige Aktivität weist eindeutig die Merkmale einer Vorerdbebensequenz auf. Solange das Hauptbeben ausbleibt, wird seine erwartete Stärke leider zunehmen“. Er erklärt: „Im schlimmsten Fall werden wir die Stärke von 1956 erreichen. Am wahrscheinlichsten ist ein baldiges Hauptbeben, dem eine reine Nachbebenphase folgen wird, die mehrere Monate lang bis zum Sommer dauern wird.“ Dies, so Tselentis weiter, werde „dramatische Auswirkungen auf den Tourismus der Insel Santorini haben“.
Mit Blick auf die Vulkane unweit von Santorini stellt Tselentis ferner fest, dass beide Vulkane in der Region – Santorini und Kolumbo – „aktiv“ seien. Für Tselentis ist, anders als für Lekkas, unstrittig: „Es besteht definitiv eine wechselseitige Beziehung zwischen der Vulkantätigkeit und der vorhandenen Seismizität“. Die griechischen Fluggesellschaften fliegen weiter hin mehrmals täglich Evakuierungsflüge.
FERRY BATZOGLOU