Das Dreigestirn: Rene Klöver (Mi.), Michael Samm (re.) und Hendrik Ermen. © Gambarini/dpa
Der organisierte Karneval ist traditionell eine bierernste und vielfach konservative Angelegenheit. Von daher ist es schon etwas Besonderes, dass Köln jetzt erstmals ein queeres Dreigestirn hat.
Michael Samm weiß noch sehr gut, auf was er sich als homosexueller Mann früher im Karneval gefasst machen musste. Gewisse „Intoleranzen und Anfeindungen“ seien damals immer wieder vorgekommen, erzählt der 62-Jährige. „Wenn man als queere Karnevalsgesellschaft einmarschierte, gab es das tatsächlich, dass Menschen den Saal verlassen oder uns den Rücken zugedreht haben.“
Während er das sagt, sitzt Michael Samm in einem prächtigen Ornat samt Mütze mit Pfauenfedern in einem Kölner Lokal. Andere Gäste schauen zu ihm hinüber, machen Fotos. Denn Michael Samm ist dieses Jahr der Bauer des Kölner Dreigestirns. Auch die anderen beiden Figuren – der Prinz und die Jungfrau – werden von homosexuellen Männern verkörpert, der Prinz von René Klöver und Jungfrau Marlis von Hendrik Ermen. Alle kommen aus der „StattGarde Colonia Ahoj“, die 2003 aus dem „Rosa Karneval“ queerer Jecken hervorgegangen ist. Damit hat die einwohnerstärkste Karnevalsmetropole Deutschlands erstmals ein queeres Dreigestirn.
Traditionell ist der organisierte Karneval eine konservative, stark reglementierte Angelegenheit. Minderheiten hatten es lange schwer. 1976 fuhr im Kölner Rosenmontagszug ein Wagen mit, auf dem ein türkisches Ehepaar mit 15 Kindern zu sehen war, in der Hand ein Schild mit der Aufschrift „Kindergeld“. Homosexuelle wurden auf den Bühnen des Sitzungskarnevals lange auf denkbar stereotype Weise verspottet und der Lächerlichkeit preisgegeben.
Für links eingestellte Kölner wie den Investigativjournalisten Günter Wallraff hatte der Karneval der Nachkriegszeit deshalb lange etwas Abstoßendes. „Der war geprägt von zotigen Witzen und Spott über Minderheiten“, erinnert sich Wallraff im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Er sei mit seinen Kindern zwar einige Male zum örtlichen Karnevalszug in seinem Viertel Ehrenfeld gegangen, aber der organisierte Sitzungskarneval sei ihm immer fremd geblieben.
Umso überraschter war Wallraff, als er neulich rein zufällig in die Proklamation des aktuellen Dreigestirns im Fernsehen hineinzappte: „Das war authentisch und sympathisch. Ohne Zweifel, die haben sich weiterentwickelt.“ Was nicht bedeute, dass er sich nun gleich eine Pappnase aufsetze.
„Gott sei Dank haben sich die Zeiten total verändert“, bestätigt Michael Samm. „Gerade hier im Rheinland ist das überhaupt kein Thema mehr, weil wir mitten in der Gesellschaft angekommen sind. Und das spiegelt sich eben auch im Karneval wider.“ „Jungfrau“ Hendrik Ermen, aufgewachsen am konservativen Niederrhein, bestätigt: „Meine Familie ist erzkatholisch gewesen, aber ich glaube, in dieser Session sind das die stolzesten Eltern.“