Ist frühmorgens mit ihrem Gesang immer eine der ersten: die Amsel. © Beschnitt/KNA
Berlin – Wer im Frühling bei Morgendämmerung erwacht und die Vögel zwitschern hört, dreht sich womöglich noch einmal auf die andere Seite, lauscht entspannt dem friedlichen Konzert – und schläft wieder ein.
Studien haben gezeigt, dass Vogelgezwitscher auf Menschen beruhigend wirkt. So kam etwa jüngst eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin zu dem Schluss, dass sechs Minuten Gezwitscher pro Tag die mentale Gesundheit positiv beeinflussen. Kein Wunder, dass so mancher das ganze Jahr über digitale Vogelgesänge zum Einschlafen nutzt oder den Lichtschalter im Badezimmer mit einer entsprechenden Geräuschkulisse koppelt.
Die Studie ergab auch, dass es ganz gleich ist, welcher Vogel da nun singt – ob die Amsel oder die Lerche. „Die meisten Menschen sind nicht allzu gut darin, das herauszuhören – und offenbar spielt es für den mentalen Effekt auch keine Rolle“, sagt Studienleiterin Simone Kühn. Für die Studie beantworteten psychisch gesunde Menschen einen Fragebogen zu ihrer mentalen Verfassung; es wurden etwa Dinge gefragt wie „Haben Sie den Eindruck, dass die Leute über Sie reden?“ Diesen beantworteten die Probanden zweimal; dazwischen hörten sie einmal Vogelgezwitscher und einmal Straßenlärm.
„Der Fragebogen wurde nach Hören des Vogelgezwitschers deutlich positiver beantwortet – die Geräusche wirken demnach gegen Angst, Depressivität und Paranoia“, erklärt Kühn. Das zeige weniger, „dass die Stadt uns krank macht, sondern dass es positive Effekte hat, sich die Naturerfahrung ins Haus zu holen“. Zurzeit untersucht die Wissenschaftlerin im Notaufnahmebereich des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, ob Zwitscherboxen die Patienten beruhigen – und der Beruhigungseffekt sich also auch gewinnbringend ins reale Leben übertragen lasse.
Für den Ornithologen und Vogelstimmenimitator Uwe Westphal hat die positive Wirkung von Vogelgesang vor allem zwei Gründe: „Wenn ein Vogel singt, ist in der Regel alles friedlich“, sagt er. „Es signalisierte den Menschen früher, dass keine gefährlichen Raubtiere lauerten und sie in Ruhe ihrer Tätigkeit nachgehen konnten.“ Denn Vögel können nicht nur singen, sondern auch Alarmrufe ausstoßen: „Wenn die Menschen diese Alarmrufe hörten, wussten sie, dass da was im Busch ist.“ Wer heutzutage etwa schon einmal überaus laute Krähenrufe zur Abendstunde vernommen hat und dann beim Blick nach draußen einen Waschbär im Baum vor dem Wohnzimmerfenster entdeckt hat, weiß wovon die Rede ist. Und noch etwas anderes signalisiere das morgendliche Singen von Vögeln: „dass der Winter vorbei ist, also auch die Zeit des Hungers und der Not. Das ist genetisches Erbe, das ganz tief verankert ist“, sagt Westphal. Dabei hat jede Vogelart einen anderen Zeitpunkt für das morgendliche Tirili, der durch die zunehmende Tageshelligkeit vorgegeben wird.
Jeden Morgen stimmen die einzelnen Arten daher in der gleichen Reihenfolge in das morgendliche Konzert ein. „Es gibt die Frühaufsteher, wie zum Beispiel die Amsel oder die Feldlerche, die schon 80 Minuten vor Sonnenaufgang ihr Lied anstimmen. Zu den Langschläfern zählen dagegen der Spatz, Grünfinken und Stare – die begrüßen den Tag erst etwa zehn Minuten vor Sonnenaufgang mit ihrem Gesang“, sagt Westphal.
Und woher wissen die Vögel, wer jetzt an der Reihe ist? „Das ist ihnen genetisch in die Wiege gelegt“, sagt Westphal.