Tiefer Fall: Weinstein (M.), dem einst mächtigsten Mann Hollywoods, drohen 23 Jahre Haft. © MEANS/EPA
New York – Weltweite Aufmerksamkeit ist ab morgen in New York garantiert. Dann wird der Prozess um die mutmaßlichen Sexualverbrechen des US-Filmproduzenten Harvey Weinstein neu aufgerollt. Die MeToo-Bewegung um Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Gwyneth Paltrow und Ashley Judd hofft in dem Verfahren auf Gerechtigkeit. Der 73-jährige Weinstein dagegen pocht auf seine Unschuld.
Für die Vorkämpferinnen gegen sexuellen Missbrauch in der Filmbranche war es ein schwerer Rückschlag: Vor gut einem Jahr hob das höchste New Yorker Gericht ein Urteil gegen Weinstein wegen Verfahrensfehlern wieder auf und ordnete eine Neuverhandlung an. Wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung war Weinstein 2020 ursprünglich zu 23 Jahren Haft verurteilt worden.
Nun also die Neuauflage. Vor dem Strafgericht von Manhattan hat Richter Curtis Farber ab Dienstag zunächst fünf Tage für die Auswahl der Geschworenen angesetzt. Danach beginnt der eigentliche Prozess, der vier bis sechs Wochen dauern dürfte.
Der einst mächtige Hollywood-Mogul Weinstein gilt vielen Schauspielerinnen als „Monster“, seit die Zeitung „New York Times“ und das Magazin „New Yorker“ vor mehr als sieben Jahren mit ihren Enthüllungen ein Erdbeben in der Filmbranche auslösten. Der Name Weinstein wurde weltweit zum Synonym für Männer, die ihre Machtstellung gegenüber Frauen schamlos ausnutzen.
Inzwischen wirkt Weinstein blass und geschwächt. Seit Monaten sorgt seine angeschlagene Gesundheit für Diskussionen. Er leidet nach Angaben seines Teams unter Bluthochdruck, Herzproblemen, Diabetes – und zuletzt wurde Berichten zufolge auch eine Leukämie-Erkrankung bestätigt. Mehrfach wurde er aus dem Gefängnis in Krankenhäuser verlegt. Der 73-Jährige tritt vor Gericht meist im Rollstuhl auf und bat den Richter, das Verfahren schnell zu starten. Viel Zeit bleibe ihm nicht mehr.
Weinsteins Anwalt Arthur Aidala will einen Prozess „über die Fakten, nicht über MeToo“. Vor fünf Jahren habe es noch Demonstrationen gegeben, bei denen sein Mandant als „Vergewaltiger“ beschimpft wurde. „All das hat sich gelegt.“
Das sehen die MeToo-Verfechterinnen natürlich anders. Für sie ist Weinsteins berüchtigte „Besetzungscouch“ weiterhin eine Mahnung an Frauen weltweit, für ihre Rechte einzutreten. Mehr als 80 Frauen sehen sich als Opfer. Sie beschreiben den früheren Chef der Produktionsfirmen Miramax und Weinstein Company als „Raubtier“, der Schauspielerinnen oder Assistentinnen zu sexuellen Handlungen genötigt oder sie vergewaltigt hätte, meist in Hotelzimmern.
In dem New Yorker Verfahren geht es um drei Fälle. Erneut wird die mutmaßliche sexuelle Nötigung der ehemaligen Produktionsassistentin Miriam „Mimi“ Haley 2006 verhandelt sowie die mutmaßliche Vergewaltigung der Schauspielerin Jessica Mann 2013. Dazu kommt eine dritte Klägerin, die Weinstein erzwungenen Oralsex vorwirft.
Weitere Frauen sollen in dem neu aufgerollten Prozess vorerst nicht aussagen. Denn das war einer der Gründe dafür, dass das New Yorker Berufungsgericht Weinsteins Verurteilung verwarf: Es entschied, es hätten keine Zeuginnen erscheinen dürfen, deren Fälle gar nicht mit angeklagt waren.