Sie wurden als Babys vertauscht

von Redaktion

Ein New Yorker erfährt nach 64 Jahren, dass seine Familie nicht seine ist

Gruppenbild der wiedergefundenen Geschwister: Kevin (li.) und sein leiblicher Bruder Keith (sitzt ganz rechts mit schwarzem T-Shirt). Carol steht neben ihrem leiblichen Bruder Ross (im blauen Sakko mit Krawatte). Unten sind die Kinderbilder von Kevin mit seinen „Geschwistern“ und rechts von Ross. © Privat (3)

New York – Den größten Teil seines Lebens fühlte er sich wie ein Fremder in seiner eigenen Familie: Kevin McMahon sah nicht nur anders aus als seine Geschwister, er fühlte sich tief in seinem Inneren nie wirklich zugehörig. Sechs Jahrzehnte nach seiner Geburt wurde sein schlimmster Verdacht Wahrheit: Der 64-Jährige wurde im Krankenhaus mit einem anderen Säugling vertauscht.

Kevin McMahon kam am 26. Mai 1960 im Jamaica.Hospital im New Yorker Stadtteil Queens zur Welt. Knapp 45 Minuten später folgte ein Baby namens Ross McMahon. Beide Neugeborenen wurden vom Krankenhaus als „Baby McMahon“ gekennzeichnet aus dem Kreißsaal geschoben, ihre Geburtsurkunden-Nummern unterschieden sich nur bei der letzten Ziffer. In der Hektik der Geburtsstation wurden die beiden kleinen Jungen den falschen Müttern gebracht.

In seiner Familie war Kevin das einzige von vier Kindern, das als Kleinkind nicht blond und blauäugig war. Stattdessen hatte er schwarze Haare, braune Augen und seine Haut war mediterran-olivfarben. In der „New York Post“ beschrieb McMahon, wie er sich von Anfang an in seiner Familie ungeliebt gefühlt hatte: „Meine Großmutter war überzeugt, dass ich nicht ihr Enkel sein konnte und von einem anderen Mann stammen musste. Sie hat die Wut darüber an mir ausgelassen.“ Sein Vater war ihm gegenüber völlig kalt, während er seinen drei weiteren Kindern Raymond, Carol und Donald immer viel Liebe und Aufmerksamkeit schenkte: „Ich bekam dafür ständig Prügel und lebte in Angst vor meiner Oma und Dad.“

Die Verwechselung kam erst 2020 ans Licht, als Kevins zwei Jahre ältere „Schwester“ Carol Vignola zu Weihnachten einen DNA-Test geschenkt bekam. Ihr Schock war groß, als sie von „Ancestry.com“ erfuhr, dass sie einen unbekannten leiblichen Bruder namens Ross McMahon hatte: „Ich habe Kevin früher immer damit aufgezogen, dass er vom Milchmann stammen muss, weil er so anders als wir aussah. Und plötzlich sah ich schwarz auf weiß, dass ich nicht vollkommen danebengelegen habe.“

Kevin machte daraufhin seinen eigenen DNA-Test, der bestätigte: Er war genetisch nicht mit seiner Familie verwandt. Dafür hatte er laut Ancestry-Datenbank einen Bruder namens Keith McMahon.

Carol und Kevin kontaktierten die beiden anderen McMahons und arrangierten ein Treffen. Das beseitigte die letzten Zweifel. Während Carol eindeutig Ross McMahon ähnlich sieht, traf dasselbe auf Kevin und Keith McMahon zu. Für Kevin war es besonders bitter, zu erfahren, „dass mein leiblicher Vater der größte Fan von Ross war und ihn immer unterstützt hat“. Alle vier Elternteile sind inzwischen verstorben.

Kevin McMahon verlangt in einer Klage nicht nur eine (bislang ungenannte) Schadensersatzsumme vom Krankenhaus: „Mir wurde meine Kindheit in einer Familie geraubt, in der ich mich nicht wie ein Fremdkörper gefühlt hätte. Ich verlange eine Entschuldigung vom Jamaica-Hospital und das Eingeständnis, dass es einen schlimmen Fehler gemacht hat.“ Für seinen Anwalt Jeremy Schiowitz haben die Krankenhaus-Verantwortlichen schwer fahrlässig gehandelt: „Diese Tragödie hätte verhindert werden können. Die Ärzte und Krankenschwestern wussten, dass es zwei Mütter mit demselben Nachnamen auf der Geburtenstation gab. Sie hätten besonders achtsam mit deren Babys sein müssen!“
C. THIELE

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