Cassie Ventura und Sean „Diddy“ Combs . © Pizzello/dpa
New York – Aufnahmen von Fotos und Videos sind genauso wenig erlaubt wie Audiomitschnitte – und trotzdem dominiert der Prozess gegen den weltbekannten US-Rapper nicht nur die amerikanischen Medien wie zuletzt nur das Verfahren gegen Donald Trump.
Mehr als fünf Jahre nach dem ersten Schuldspruch gegen Ex-Filmmogul Harvey Weinstein geht es erneut um männlichen Machtmissbrauch. Doch obwohl das Verhalten Combs‘ fast durchweg als skandalös gilt, dürfte die Staatsanwaltschaft in New York viel Arbeit vor sich haben, um die Geschworenen von den angeklagten Verbrechen zu überzeugen.
Der Zwischenstand nach der ersten Prozesswoche.
1. Was bisher geschah
Der Prozess ist wegen zahlreicher schlüpfriger Aspekte ein Clickbait- und Boulevard-Fest. Die Berichterstattung ging zuletzt bis ins letzte Detail der Aussage von Schlüsselzeugin Cassie Ventura, die schwere Vorwürfe erhebt. Combs‘ Ex-Freundin schilderte, wie der heute 55-Jährige sie zu Sex mit fremden Männern gezwungen habe, diese Orgien auch unter Drogeneinfluss stattgefunden hätten, Combs sie dabei gefilmt und mit dem Material erpresst habe. Auch von wiederholter körperlicher Gewalt war die Rede.
Die Verteidigung versuchte, Ventura mit alten, teils intimen Textnachrichten als einvernehmliche Teilnehmerin der Akte darzustellen. Combs, der seit September in U-Haft sitzt, weist die Vorwürfe von Sexhandel und organisierter Kriminalität zurück. Im Fall einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Der Prozess ist auf etwa acht Wochen angesetzt.
2. Einvernehmlich oder erzwungen?
Die zentrale Frage ist nicht, ob Combs sich redlich verhalten hat – auch seine Anwälte sprechen von „einem sehr fehlerbehafteten Menschen“ und räumen (nicht explizit angeklagte) häusliche Gewalt ihres Mandanten ein. Es geht vielmehr darum, inwieweit die Handlungen darüber hinaus die Schwelle zur Tat überschritten.
Wann wird aus einem Wunsch Druck – und aus Druck schließlich Zwang? Ventura beschrieb Manipulation, Gewalt und Kontrolle durch Combs. Die Verteidigung hingegen Einvernehmen und einen gemeinsamen „Swinger Lifestyle“.
Es stehen sich also zwei Narrative gegenüber: Combs‘ Anwälte zeichnen das Bild einer zutiefst toxischen Beziehung, in der Ventura aber durchaus Handlungsmöglichkeiten gehabt hätte – und wenn es das Schlussmachen gewesen wäre.
3.„Organisierte Kriminalität?
Damit verbunden ist ein Anklagepunkt, der ursprünglich für Bandenkriminalität wie jene der Mafia geschaffen wurde: Die Verschwörung zur organisierten Kriminalität. Dieser Vorwurf wurde schon bei dem Prozess gegen Sänger R. Kelly erfolgreich eingesetzt, um eine systematische Struktur von sexuellem Missbrauch offenzulegen.