Für die ÖFP-Elf war das Spiel gegen San Marino Nebensache – in Gedanken waren sie in Graz.
Der Schock sitzt tief: Überlebende beschreiben die Lage als „surreal“. © EPA, imago
In ganz Österreich heißt es seit dem Amoklauf: „Wir stehen zusammen für Graz.“ © Bader/dpa
Attentäter Arthur A. tötete am Dienstag zehn Menschen. Anschließend erschoss er sich.
Große Trauer in Graz: Vor dem Gymnasium in der Dreischützengasse legten Menschen Blumen, Kerzen und Botschaften ab. © HALADA/AFP
Graz – Österreich hat am Mittwoch der zehn Todesopfer des Amoklaufs an einer Grazer Schule gedacht – und rätselt weiter über die Tatmotive des 21-jährigen Schützen. Bei der Durchsuchung des Zimmers von Arthur A., der bei seiner alleinerziehenden Mutter wohnte, seien außer einer nicht funktionsfähigen Rohrbombe auch „verworfene Pläne für einen Sprengstoffanschlag“ gefunden worden, teilte die steirische Polizei am Mittwoch mit. Bei seiner Abschiedsbotschaft habe es sich um ein Schreiben sowie um ein Abschiedsvideo gehandelt. Der österreichische Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sagte dem ORF, dass der an die Eltern des Todesschützen gerichtete Abschiedsbrief keinen Hinweis auf das Tatmotiv gebe.
Arthur A. hatte am Dienstagvormittag an dem Grazer Oberstufenrealgymnasium zehn Menschen und anschließend sich selbst getötet. Laut Polizei handelt es sich um sieben weibliche und drei männliche Opfer. Laut APA teilte die Polizei am Mittwoch mit, die Todesopfer seien neun Schüler im Alter zwischen 14 und 17 Jahren und eine Lehrerin. Bis auf einen Jugendlichen mit polnischer Staatsbürgerschaft handle es sich bei den Toten ausschließlich um Österreicherinnen und Österreicher.
Elf Verletzte wurden nach dem Schusswaffenangriff am Mittwoch weiter in Krankenhäusern behandelt, neun von ihnen auf Intensivstationen. Sie alle befänden sich in einem stabilen Zustand, erklärte die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft.
Die Tat löste über die Landesgrenzen hinaus Erschütterung aus. Die Regierung in Wien ordnete eine dreitägige Staatstrauer an, die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land wurden auf halbmast gesetzt. Am Mittwoch um 10 Uhr wurde eine landesweite Schweigeminute abgehalten. In Graz umarmten Menschen einander und legten vor dem Tatort weinend Blumen, Kerzen und Botschaften ab. Ein Schüler namens Ennio beschrieb die Lage nach der Bluttat als „surreal“. „Man kann es weder beschreiben noch wirklich begreifen.“
Am gestrigen Gedenken beteiligten sich die Kirchen, darunter auch der Wiener Stephansdom, mit Trauergeläut. Auch der Ministerrat hielt eine Trauerminute ab, der Sender ORF unterbrach sein Fernseh- und Radioprogramm und in der Hauptstadt Wien standen rund 900 Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs still. Auf Anzeigentafeln an den Haltestellen stand zu lesen: „Wir stehen zusammen für Graz.“
Am Tag nach der verheerenden Tat gab die Polizei außerdem erstmals einen genaueren Einblick in ihren Einsatz an dem Grazer Gymnasium. So seien zwei Streifenwagen nur wenige Minuten nach dem ersten Funkspruch über eine mögliche Amok-Lage, der um exakt 10 Uhr erfolgt sei, vor Ort gewesen, sagte der Standortkommandant der Einsatzgruppe Cobra-Süd, Kurt Kornberger.
Genau wie für solche Lagen vorgesehen, seien die Polizisten sofort (10.08 Uhr) in das Schulgebäude eingedrungen und hätten nicht auf Verstärkung gewartet, hieß es. Um 10.09 Uhr seien die ersten Spezialkräfte der Cobra eingetroffen. Ein Lehrer habe die Beamten in den dritten Stock geschickt, wo sich die Tragödie abgespielt hatte. Um 10.13 Uhr sei der Täter tot in einer Toilette gefunden worden, um 10.21 Uhr seien die ersten Korridore für Notärzte gesichert gewesen.
Unterdessen läuft eine Debatte über Österreichs vergleichsweise liberales Waffenrecht an. Politiker würden sich nun fragen, „wie es sein kann, dass ein 21-Jähriger Kurz- und Langwaffe besitzt und die Möglichkeit hat, entsprechende Munition zu kaufen und dieses Unheil anzurichten“, sagte Bundespräsident Alexander van der Bellen. Das Waffengesetz werde „zu prüfen sein“.