Um seinen 14-jährigen Bruder trauert Kalpesh Bhai. Der Jugendliche ist bei dem tragischen Absturz der Boeing ums Leben gekommen. © Rafiq Maqbool
Wrackteile der abgestürzten Boeing-Maschine sind verstreut in Ahmedabad. © RAJAT GUPTA
Clive Kunder war der Co-Pilot. © The Times of India
Sumeet Sabharwal war der Kapitän. © The Times of India
Ein Wunder: Indiens Premierminister Narendra Modi besucht den einzigen Überlebenden im Krankenhaus. © Youtube
Ahmedabad – Ramesh Viswashkumar hat weltweit für Verblüffung gesorgt. Weitgehend unbeschadet überlebte der indischstämmige Brite eines der schlimmsten Luftfahrtunglücke der vergangenen Jahre. Rettungskräfte in Indien sprechen von einem Wunder: Kein anderer der 242 Menschen an Bord konnte den Jet mit der Flugnummer AI 171 lebend verlassen.
Der erste Absturz eines Boeing 787 „Dreamliners“ verwandelte die Wohngebäude eines Klinikkomplexes am Donnerstag in ein flammendes Inferno. Der für einen Langstreckenflug mit Kerosin vollgetankte Jet pflügte sich brennend durch ein Gebäude und hinterließ in der Umgebung Szenen schlimmster Verwüstung.
Videoaufnahmen zeigen den 40-jährigen Viswashkumar, wie er sich am Unfallort nahe dem indischen Flughafen Ahmedabad zum Krankenwagen begibt und Fragen beantwortet. „30 Sekunden nach dem Start gab es einen lauten Knall, und dann stürzte das Flugzeug ab. Es passierte so schnell“, wird er von indischen Medien zitiert. Er saß auf Sitzplatz 11A – direkt neben dem Notausgang.
Nun wird er mit seinen Aussagen zum international gefragten Interview-Partner. Selbst am Krankenbett wird er noch von Journalisten interviewt – auch wenn seine Aussagen kaum konkrete Hinweise auf die Unfallursache geben. Zu unglaublich wirkt das „Wunder von Ahmedabad“, wie sein Überleben bereits genannt wird. „Überall um mich herum waren Leichen, ich hatte Angst, stand auf und rannte los; jemand griff dann nach mir und brachte mich in einen Krankenwagen“, sagte er der „Hindustan Times“.
Doch wie geht man damit um, als einziger Passagier überlebt zu haben? „Ich kann es mir nicht erklären, es ist mir ein Rätsel“, sagte er einer Journalistin. Einen ähnlichen medialen Nachfrage-Sturm hatte die junge Französin Bahia Bakari erlebt. An ein Wrackteil geklammert hatte sie im Juni 2009 als Einzige den Absturz eines Airbus mit 153 Menschen in den Indischen Ozean überlebt. Wie Viswashkumar hatte auch die heute 28-Jährige damals einen Fensterplatz.
Der US-Flugzeughersteller Boeing, dessen Aktienkurs nach Bekanntwerden des Absturzes bei Ahmedabad einknickte, hat den indischen Behörden bereits Unterstützung bei der Untersuchung des Unglücks signalisiert. Nach den Regeln der Weltluftfahrt können auch Länder, aus denen die Opfer stammen, Experten entsenden. Dazu gehören neben Großbritannien auch Portugal und Kanada. Erste Hinweise werden von der Auswertung des Cockpit-Voice-Recorders und vor allem des Flugdaten-Schreibers erwartet. Die Geräte zeichnen nicht nur Gespräche und Geräusche im Cockpit auf, sondern geben auch Aufschluss über die technischen Abläufe des Fluges.
Der zweistrahlige Jet mit dem Kennzeichen VT-ANB hatte kurz nach dem Start an Höhe verloren und war mit offensichtlich unzureichender Triebwerksleistung zu Boden gesunken, bevor er in einem Flammenmeer aufging.
Unterdessen wurde auch die letzte Nachricht aus dem Flugzeug bekannt: Kapitän Sumeet Sabharwal funkte verzweifelt „Mayday… no thrust, losing power, unable to lift“. Also: „Mayday, kein Schub, Verlust der Leistung, können nicht steigen.“ Sekunden danach stürzte die Maschine mit 242 Menschen an Bord ins Wohngebiet Meghani Nagar und explodierte. Nur Viswashkumar überlebte die Katastrophe. Auch am Boden starben Menschen. Die Maschine stürzte auf ein Hostel, in dem Medizinstudenten wohnten.
Am Tag nach der Katastrophe wird fieberhaft nach der Absturz-Ursache gesucht. Einer von zwei Flugschreibern sei inzwischen gefunden worden, berichtet „Hindustan Times“. Wie viele Menschen am Boden getötet wurden, ist weiter unklar. Insgesamt seien mindestens 265 Menschen getötet worden, berichtete die indische Nachrichtenagentur PTI unter Berufung auf die stellvertretende Polizeichefin von Ahmedabad, Kanan Desai. Die Leichen seien in das Zivilkrankenhaus der Stadt gebracht worden. Die Polizei sprach von dutzenden Verletzten. Unter den Passagieren befanden sich nach Angaben von Air India 169 indische Staatsangehörige, 53 Briten, sieben portugiesische Staatsbürger und ein Kanadier.RALF E. KRÜGER