Vishvash Kumar Ramesh wurde von Premier Narendra Modi in der Klinik besucht. © AFP
Der einzige Überlebende saß auf Platz 11 A in der Maschine – doch eigentlich gelten die hinteren Plätze als sicherer.
München – Er dürfte inzwischen der gefragteste Sitz in Flugzeugen sein: Platz 11A hat seit dem Air-India-Absturz in Ahmedabad eine bemerkenswerte Bekanntheit erlangt. Wie durch ein Wunder überlebte der Brite Vishvash Kumar Ramesh auf diesem Sitz das Unglück – als einziger der 242 Insassen. Seither fragt sich alle Welt: Wie konnte das passieren?
Tony Cable, ehemaliger Flugunfallermittler, hat nur eine Einklärung dafür: Glück. „Kaufen Sie sich sofort ein Lotterielos“, lautet sein Rat für den 40-jährigen Ramesh. Denn eigentlich gehört 11A nicht zu den sichersten Plätzen in der Maschine. Im Gegenteil: Er befindet sich in der Boeing 787-8 Dreamliner im vorderen Teil des Flugzeugs, in der ersten Reihe der Economyclass-Reihe – direkt am Notausgang und in der Nähe der stabilsten Stellen des Rumpfs, dort, wo der Holm des Flügels andockt. Vor allem dort sei es gefährlich, wenn das Flugzeug auf dem Boden aufschlägt, sagt ein Sicherheitsanalyst gegenüber dem US-Sender CNN.
Statistisch gesehen sind die Überlebenschancen im hinteren Teil eines Flugzeuges minimal höher. Denn bei vielen Abstürzen oder Notlandungen trifft der vordere Teil der Maschine als Erstes auf den Boden. Dadurch wirken dort oft stärkere Kräfte. Das Heck, also der Bereich mit dem Höhenleitwerk, ist hingegen oft stabiler gebaut als andere Teile des Fliegers – dieser Teil kann bei einem Aufprall zwar abreißen, dafür aber auch – unter bestimmten Umständen – unversehrt bleiben. Bei einer Untersuchung des US-Magazins „Popular Mechanics“ wurden Flugzeugabstürze zwischen 1971 und 2007 ausgewertet. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Absturz im hinteren Drittel des Flugzeugs zu überleben, liegt demnach bei 69 Prozent. Im vorderen Drittel liegt die Überlebensrate hingegen nur bei 49 Prozent.
Nach Einschätzung des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt sind trotzdem alle Sitzplätze in Flugzeugen ähnlich sicher. Tendenziell sei die Überlebenschance hinten etwas höher, weil der vordere Teil – vereinfacht gesagt – „bei vielen Unfällen Knautschzone“ sei. Großbongardt mahnt: „Sitz 11A zu buchen, ist keine Lebensversicherung.“ Dass Ramesh auf diesem Platz überlebt hat, ist vielen Experten ein Rätsel. „Vermutlich ist der Rumpf in der Nähe des Sitzplatzes dieses Mannes aufgebrochen“, sagt Flugunfallexperte Tony Cable dem britischen „Guardian“, „und er wurde glücklicherweise ohne größere Verletzungen hinausgeschleudert.“
Der Sitz von Ramesh hatte – anders als die meisten – keinen Sitz direkt davor, sondern freien Raum. Das könnte ihm beim Entkommen einen entscheidenden Vorteil verschafft haben. Während andere Passagiere beim Aufprall zusammengedrückt wurden, konnte Ramesh entkommen. „Möglich ist, dass der Aufprall die Tür gelockert hat und er sie aufstoßen und hinausgelangen konnte“, erklärt John McDermid, Sicherheitsexperte an der Universität York. Eine wichtige Rolle habe auch die schnelle Reaktion des Briten gespielt. „Hätte er nicht innerhalb weniger Sekunden gehandelt, wäre er wahrscheinlich wegen der Feuerball-Explosion ums Leben gekommen.“
Trotz des Unglücks halten Experten das Flugzeug weiterhin für das sicherste Verkehrsmittel. „Fliegen war sicher und wird immer sicherer“, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Hersteller investierten fortlaufend in die Sicherheit neuer Modelle. Sitze seien etwa robuster geworden und könnten mittlerweile eine Last von etwa 1,3 Tonnen aushalten. Das führe dazu, dass sie im Fall eines Unfalls nicht weggerissen werden. Laut dem Verband der Fluggesellschaften IATA gab es 2024 auf 880000 Flügen einen Unfall. Das entspricht einer Rate von 1,13 auf eine Million Flüge.