Milliardär Jeff Bezos will seiner Verlobten in Venedig das Ja-Wort geben. © Evan Agostini/dpa
„Venedig ist nicht zu kaufen“: Unter diesem Motto gab es in der Stadt viele Proteste. Aktivisten wollen die Trauung „in einen Spießrutenlauf verwandeln“. © PATTARO/AFP
Venedig – Venedig ist ein Traum und manchmal auch ein Albtraum. Wenn in gut einer Woche der Amazon-Gründer Jeff Bezos (61) und die Ex-Journalistin Lauren Sanchez (55) in der Lagunenstadt heiraten, könnte auch dieses Event zwischen Glück und Misere changieren. Als „Traumhochzeit“ betiteln manche Blätter die Trauung des US-Paars. Die Hochzeit liefert jedoch auch das Material für Zündstoff.
Die Lagunenstadt Venedig besticht zwar durch ihr Flair, man muss sie angesichts des Massenandrangs (15-20 Millionen Besucher pro Jahr) jedoch als geschundene Schönheit bezeichnen. Weniger als 50 000 Menschen leben noch im Stadtzentrum, die Metapher vom Freiluftmuseum ist berechtigt. Man kann verstehen, dass Bezos und Sanchez die Fassade Venedigs als Hintergrund für ihr Hochzeitsglück gewählt haben. Man kann aber auch diejenigen verstehen, die so ein Brimborium für keine gute Idee halten.
Vergangenen Donnerstag hissten Aktivisten ein Banner auf dem Kirchturm von San Giorgio Maggiore, auf dem der Name Bezos mit einem roten Kreuz durchgestrichen war. Auf Plakaten war zu lesen: „Venedig ist nicht zu kaufen und auch nicht zu mieten“. Der Protest richtet sich gegen die Ausbeutung der Stadt als Kurzzeit-Traum-Fassade, ist aber auch mit persönlicher Abneigung gegen den US-Unternehmer vermischt. „Wir haben nichts gegen Hochzeiten, aber wir mögen die Arroganz dieses Milliardärs nicht, der glaubt, er könne mit seinem Geld alles kaufen, sogar Venedig“, sagt Tommaso Cacciari, Sprecher eines eigens gegründeten „No Space for Bezos“-Komitees.
Am vergangenen Freitag verabredeten rund 300 Aktivisten bei einem Treffen, die Hochzeit in einen Spießrutenlauf zu verwandeln. „Wir treffen uns zu einem farbenfrohen und friedlichen Protest. Wir werden den Zugang zur Kirche über das Meer mit Schlauchbooten und Booten und über Land mit unseren Körpern verhindern“, kündigte Aktivistin Alice Bazzoli an. Dabei ist nicht einmal das genaue Datum bekannt, die Hochzeit soll zwischen dem 26. und 28. Juni stattfinden. Die organisierende Agentur Lanza & Baucina bemüht sich um größte Geheimhaltung. 250 Gäste sollen geladen sein, darunter Leonardo Di Caprio, Katy Perry und Oprah Winfrey. Die Hochzeit soll rund elf Millionen Euro kosten.
Auch an jenen Einnahmen für Venedig erkennen die Kritiker nichts Gutes. „Das Geld fließt in die üblichen Lobbys der Gondoliere und Wassertaxibetreiber, die Hotels werden vom Finanzkapitalismus geführt, ganz sicher nicht von einheimischen Familien“, so Stefano Micheletti von der Organisation No Grandi Navi. Andere wie Bürgermeister Luigi Brugnaro erkennen die Hochzeit als „Chance für die Stadt“. Luca Zaia, Gouverneuer der Region Veneto, sieht das ähnlich: „Venedig sollte stolz sein. Gegen diejenigen zu protestieren, die der Stadt Sichtbarkeit verschaffen, ist schlicht eine Schande.“ Die Frage ist, ob es Venedig mit weniger Sichtbarkeit nicht besser ginge.JULIUS MÜLLER-MEININGEN