Die erste deutsche Rolltreppe im Kölner Kaufhaus Tietz.
Die S-Bahn-Rolltreppe am Marienplatz: Die MVG empfiehlt übrigens, auf beiden Seiten der Rolltreppe zu stehen. © SIGI JANTZ
Köln/Berlin/München – Es ist genau 100 Jahre her: Am 11. Juli 1925 wurde im Kaufhaus Tietz in der Kölner Innenstadt die erste Rolltreppe Deutschlands eröffnet. Eine damals erschienene Postkarte, die heute im Kölnischen Stadtmuseum aufbewahrt wird, zeigt die schmale, nach oben führende Rolltreppe samt drei Kunden. Das Warenhaus warb für die Neuheit mit dem Versprechen, die „Roll-Fußsteige“ erspare den Kunden „Zeit und damit Geld“.
Noch im selben Jahr wurden Rolltreppen auch in Warenhäusern in Berlin und München in Betrieb genommen. In Berlin stand anfangs noch ein Liftboy dabei, der den Kunden beim Bedarf assistierte.
Weil viele es eilig haben, gilt vielerorts die Regel: „Rechts stehen, links gehen“. In Metropolen wie London ist es eine Todsünde, auf den Rolltreppen in der U-Bahn den Weg zu versperren. Man outet sich damit als unkundiger Tourist, für jeden Einheimischen wäre es der Gipfel der Peinlichkeit, mit einem leisen „Excuse me“ zur Seite gescheucht zu werden.
In München ist das allerdings anders, was aber nur die wenigsten zu wissen scheinen. Die MVG empfiehlt ausdrücklich, auf beiden Seiten der Rolltreppe zu stehen. Das sei nicht nur sicherer, da es so zu weniger Stürzen kommt, sondern auch für alle Beteiligten am schnellsten. Studien haben gezeigt, dass das Stehen auf beiden Seiten der Rolltreppe die Kapazität erhöhen und den Verkehrsfluss verbessern könnte.
Erfunden worden war die „umlaufende Plattform“ Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Der Eisenbahn-Ingenieur Jesse W. Reno, der zwischenzeitlich auch in Berlin lebte, meldete das von ihm entwickelte Transportsystem 1892 in New York zum Patent an. Ein paar Jahre später wurde die erste Rolltreppe in dem Vergnügungspark Coney Island in New York eröffnet.
Von dort verbreiteten sie sich über die ganze Welt, weil sie als geeignetes Mittel zur Steuerung großer Menschenmengen betrachtet wurden. Heute gibt es nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) allein in Deutschland etwa 39 000 Rolltreppen, wobei der in Frankfurt am Main sitzende Verband die offizielle Bezeichnung „Fahrtreppen“ verwendet.
„Die Rolltreppe ist ein wunderbares Zeichen der Moderne“, sagt Frank Steinbeck, Leiter des Bereichs Straßenverkehr im Deutschen Technikmuseum Berlin. „Sie ist zum einen eine Folge der Industrialisierung, des Städtewachstums und damit einhergehend des zunehmenden Verkehrs im 19. und 20. Jahrhundert. Zum anderen ist sie aber auch ein Zeichen der beginnenden Konsumgesellschaft.“
Die beiden Haupteinsatzpunkte waren Bahnhöfe und Einkaufstempel, zunächst große Kaufhäuser, dann Shopping-Malls. In der Bundesrepublik wurden Rolltreppen nach 1945 zum Symbol des Wirtschaftswunders. Damals war es noch ein richtiges Erlebnis, auf den Rillen-Stufen dahinzugleiten.
Kulturwissenschaftler teilen das Rolltreppe-Fahren in drei Stadien ein. Das erste Stadium ist das Betreten der Rolltreppe. Von festem Grund begibt man sich auf bewegliche Stufen und gibt die Kontrolle über die eigene Fortbewegung damit ab. Dieser Schritt ist nicht ganz ohne Risiko, wie man als Kind von den Eltern eingeschärft bekommt: Man darf möglichst nicht auf den Spalt zwischen zwei Stufen treten, denn sonst könnte man die Balance verlieren, wenn die vorderste Stufe im nächsten Moment aufsteigt.
Das zweite Stadium der Rolltreppenfahrt ist die „Transitphase“. Man gleitet dahin und ist zur Passivität verdammt, was aber auch angenehm sein kann. 20 oder 30 Sekunden hat man Gelegenheit, die Gedanken schweifen zu lassen – ein Moment des Träumens im hektischen Alltag. Man dämmert vor sich hin, schaut meist noch nicht mal aufs Handy, weil die Fahrt dafür zu kurz ist.
Empfohlen wird, sich während der Fahrt am Handlauf festzuhalten, doch Eltern schärfen ihren Kindern häufig ein, gerade das nicht zu tun. Sie haben hygienische Bedenken.
Das dritte und letzte Stadium der Fahrt ist der Ausstieg. Die Stufen werden flacher, bis sie eingeebnet in einem schachtartigen Schlitz verschwinden. Der Benutzer muss sich nun wieder aus eigener Kraft fortbewegen, der Alltag hat ihn wieder.
Andrea Mihm sieht es in ihrer Dissertation „Die Rolltreppe“ so: „Während die Fahrt an sich als Befriedung wahrgenommen wird, gestaltet sich die Wiedereingliederung in das Geschehen des jeweiligen Bezugssystems eher als Missvergnügen, ja kleines Ärgernis.“