Billy Joel: Bei einem Konzert im Madison Square Garden im August 2017 trat er mit Judenstern auf dem Sakko auf. © Suarez/Getty Images
New York – Seine Vergangenheit hat ihn nie losgelassen. Am Schicksal der Familie von Megastar Billy Joel spiegelt sich die traurige Geschichte der Juden im frühen 20. Jahrhundert in Deutschland wider. „Es ist ein Wunder, dass sie da rausgekommen sind.“ In der neuen TV-Biografie über sein Leben enthüllt Billy Joel ein schmerzhaftes und trauriges Kapitel aus seiner Familienhistorie. Er beschreibt, wie seine jüdischen Großeltern mit seinem Vater vor den Nazis aus Nürnberg über die Schweiz nach Amerika fliehen konnten. Die restlichen Joels blieben in Deutschland zurück. Der Sänger erfuhr später von seinem Vater, den er in den 70er-Jahren in Wien ausfindig machen konnte: „Sie haben die Familie gejagt und komplett ausgelöscht.“
Der 76-Jährige erzählt in „Billy Joel: And So It Goes“, wie sein Vater Helmut (er nannte sich später Howard) in einer wohlhabenden Familie aufwuchs, „die sehr stolz darauf war, deutsch zu sein“ und die ihren jüdischen Glauben nicht praktizierten. Sein Opa Karl Joel war ein Textilien-Großfabrikant in Nürnberg. Die „Wäschemanufaktur Karl Joel“ war die viertgrößte des Landes. In den Worten seines Sohnes: „Das Geschäft hat floriert, bis die Nazis an die Macht kamen.“
Sein Vater sei damals zehn gewesen, als Hitler Reichskanzler wurde. Während der Reichsparteitage habe der kleine Helmut hinterm Zaun gekauert und der antisemitischen Hetze der Nazi-Redner zugehört: „Ich kann mir nicht ausmalen, wie traumatisch es für ihn gewesen sein muss, die SS aufmarschieren zu sehen und zu hören, was sie verbreiteten.“ Als Helmut nicht mehr zur Schule gehen durfte, habe sein Vater Karl die Gefahr erkannt: „Mein Opa beschloss, dass sie fliehen sollten, solange sie noch konnten. Er hat seine Fabrik für ein Bruchteil des Wertes verkauft.“ Später erfuhr Billy, dass der neue Besitzer Häftlingskleidung für Konzentrationslager und Gefängnisse hergestellt hatte.
Mit der Bahn gelangte die Familie ohne Zwischenfall in die Schweiz: „Wenn man sie im Zug entdeckt und sie als Juden identifiziert hätte, wären sie direkt ins KZ geschickt worden.“ Die Joels ließen sich 1939 auf Long Island nieder, Billy wurde 1949 im New Yorker Stadtteil Bronx geboren. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er acht Jahre alt war und er verlor den Kontakt zu seinem Vater, der zurück nach Europa zog.
Billy war bereits ein Star, als er herausfand, dass Howard „Helmut“ Joel sich ein neues Leben in Österreich aufgebaut hatte: „Ich bin zu ihm nach Wien ins Appartement gekommen und habe erst dort erfahren, dass ich einen Halbbruder habe.“ Von diesem erfuhr er auch von der Vergangenheit seines Vaters, der selbst darüber nicht sprechen wollte: „Er hat als US-Soldat unter General Patton gekämpft und hat das KZ Dachau mit befreit.“
Billy musste erfahren, dass kein anderer aus der Familie seines Vaters den Nazi-Terror überlebt hatte: „Ich habe den Friedhof besucht, auf dem die Joel-Familie begraben liegt. Alle wurden vernichtet. Ich hätte so gerne einige dieser Menschen kennengelernt.“
Das Schicksal seiner Familie inspirierte Joel im August 2017 dazu, bei einem seiner monatlichen Auftritte im Madison Square Garden einen gelben Judenstern zu tragen. Als Protest gegen den gewaltsamen Aufmarsch von Neonazis in Charlottesville (Virginia), die trotz antisemitischer Parolen von Präsident Donald Trump als teilweise „sehr gute Leute“ tituliert wurden. Joel: „Ich war so wütend und wollte was dagegen unternehmen. Ich habe den Stern getragen, um damit zu zeigen: Egal was ist, ich werde immer ein Jude sein – weil ich einer bin.“ CHRISTIAN THIELE