Manche Männer gehen gerne oben ohne.. © Margais/dpa
Berlin/Frankfurt – Joggende Twens im Park, der schnelle Radfahrer an der Hauptstraße, der ältere Nachbar beim Gassigehen: Wenn es warm wird, ziehen manche Herren einfach ihr Shirt aus. Männer oben ohne trifft man im Sommer nicht mehr nur im Freibad, am Strand oder auf Baustellen an. Doch bei nackten Oberkörpern bleibt eine Geschlechterkluft (Gender-Gap).
„Ich weiß, dass mir viele gleich Narzissmus unterstellen oder mich als toxisches Alphamännchen sehen, wenn ich mein T-Shirt ausziehe“, sagt am Mainufer in Frankfurt ein Mittzwanziger. Er mache das nur gelegentlich, um nicht allzu viel Augenrollen abzubekommen. Man gelte schnell als Sexist, der sein männliches Privileg nicht hinterfrage, meint der offenherzige junge Mann.
Im Internet sind dagegen viele Kerle schamloser – man könnte auch sagen: weniger reflektiert. #Shirtlessmen oder #shirtlessguys sind populäre Hashtags. Auch Promis wie die Outdoor-Brüder Zac und Dylan Efron inszenieren sich dort gern mit freiem Oberkörper – etwa beim Golfspielen.
Der nackte Männer-Oberkörper kann zudem Popkultur sein: Man denke an Iggy Pop oder an das aktuelle Albumcover des amerikanischen Popstars der Stunde, Benson Boone. Im Sport kann das Oberteil ausziehen außerdem ein Zeichen des Triumphs sein. Manche Profifußballer können es nicht lassen, sich das Trikot beim Torjubel abzustreifen – obwohl das verboten ist.
Gleichzeitig gibt es in den westlichen Gesellschaften einen Trend zur Awareness und zu Schutzräumen (safe spaces), in denen sich alle Menschen sicher vor Übergriffen oder Diskriminierung fühlen können sollen. Bei politisch bewussten Festivals oder Popkonzerten hat das etwa zu einer „No Shirt, no Service“-Kultur geführt. Sprich: Wer kein Shirt trägt, wird nicht bedient.
Schließlich können Frauen nicht so ohne Weiteres oben ohne herumlaufen. Hintergrund ist auch die Überlegung, dass es für andere unangenehm sein kann, sich an schweißnassen Rücken und Bäuchen vorbeidrücken zu müssen. Aus Solidarität sollen deshalb auch Männer ihr T-Shirt einfach anbehalten.
„Der v-förmige und muskulöse Oberkörper mit flacher Brust ist neben dem Bart eines der körperlichen Merkmale, bei denen sich Männer und Frauen unterscheiden“, sagt die Psychologin Ada Borkenhagen. „Und für viele Frauen und auch Männer ist ein männlicher Oberkörper durchaus sexy.“ In der Männermode sei der Oberkörper schon oft hervorgehoben worden. „Wurden die breiten Schultern zum Beispiel in den 80ern mit Schulterpolstern oder in den 90ern durch ein Muskelshirt betont, geht es 2025 oft deutlich freizügiger zu – sei es im Park, auf Festivals oder auf Partys. Man könnte sagen: Der freie männliche Oberkörper ist jetzt selbst eine angesagte Mode.“
Doch auch Männer können sich nicht alles erlauben. In Bus oder Bahn würde ein noch so schöner Halbnackter ebenfalls Anstoß erregen.