Mütter fühlen sich häufig allein und hilflos. © Oppitz/KNA
Bonn – „400 Instagram-Follower, 200 Facebook-Freunde, drei WhatsApp-Gruppen nur für Mütter – und trotzdem hatte ich letzte Woche hohes Fieber und niemanden, den ich um eine Packung Paracetamol bitten konnte“: Das hat eine Mutter der Journalistin Anja Krug-Metzinger erzählt. Sie ist bei ihren Recherchen zu ihrem Buch „Gemeinsam statt einsam“ immer wieder auf eine tiefe Einsamkeit bei Müttern gestoßen – aller Vernetzung zum Trotz.
Daher ist Krug-Metzinger zu dem Schluss gekommen: Etwas stimmt nicht mit der Art, wie diese Gesellschaft Mutterschaft organisiert. Die Autorin fragt in ihrem Buch nach den Ursachen der Vereinsamung von Müttern heute und begibt sich auf Spurensuche. Sie hat nach eigenen Angaben Gespräche mit Müttern aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Altersgruppen und Familienkonstellationen geführt. Ergänzend habe sie Einträge in Mütter-Foren und Sozialen Medien ausgewertet sowie Gespräche mit medizinischen und psychologischen Fachkräften geführt.
Was Krug-Metzinger aus den verzweifelten Wortmeldungen in Mütterforen mitgenommen hat: „Je mehr wir über Mutterschaft zu wissen glauben, desto unsicherer scheinen sich Mütter in ihrer Rolle zu fühlen.“ Denn: „Die Flut an Expertenwissen, Apps und Optimierungsstrategien hat die intuitive Sicherheit nicht gestärkt, sondern untergraben.“
Dass sich Mütter oft unsicher und einsam fühlen, dafür macht die Autorin auch eine familien- und frauenfeindliche Lebenswelt verantwortlich. Beginnend bei Wohnungen, die sie als abgeschlossene kleine Zellen sieht, die ein gemeinschaftliches Leben verhindern. Viele Großeltern, früher der Rettungsanker schlechthin aller jungen Eltern, haben derweil eine neue Rolle gefunden, die ständiges Kinderhüten nicht mehr vorsieht.
War es vielleicht früher besser? Lässt sich aus der Vergangenheit lernen? Welche Modelle bietet die Wissenschaft? Aus Gesprächen mit Fachleuten schließt Krug-Metzinger, dass Menschen immer wieder neue Wege entwickelt haben, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren. Die Wissenschaft belegt nach ihrer Ansicht: „Menschen sind auf ein soziales Netz angewiesen, um ihre Kinder erfolgreich großzuziehen.“
Also besser gemeinsam statt einsam: Dafür ist nach ihrer Meinung ein neues und koordiniertes Zusammenspiel von flexiblen Netzwerken aus familiärer und professioneller Betreuung nötig. Ihrer Meinung nach sind Mehrgenerationenhäuser und Familienzentren hilfreich, um gemeinsam zu leben und so einander Unterstützung anbieten zu können.
Die Autorin weist auf „Leih-Oma“-Initiativen hin, die die Idee großmütterlicher Fürsorge in moderne, selbst gewählte Beziehungen übersetzen. Sie bewertet diese Initiative als eine Win-win-Situation, bei der die Familien Unterstützung bekommen, während die Leihgroßeltern aktiv bleiben und eine sinnstiftende Aufgabe finden.