Per Mausklick zum Heiligen

von Redaktion

Zeremonie auf dem Petersplatz: Papst ehrt am Sonntag „Cyber-Apostel“ Acutis

Acutis-Verehrer im Juli 2024 in München. © KNA

In einem gläsernen Sarg ist der Jugendliche in Assisi aufgebahrt. © Stefano Dal Pozzolo/KNA

Ab Sonntag ist Carlo Acutis ein Heiliger: Ein 15-Jähriger, der in der katholischen Kirche als „Internet-Apostel“ verehrt wird. © imago

München – „Die Eucharistie ist meine Autobahn in den Himmel“: Dieser Satz wird dem 15-jährigen Carlo Acutis zugeschrieben. Ein ungewöhnlicher Satz für einen ungewöhnlichen Teenager, der am Sonntag von Papst Leo XIV. auf dem Petersplatz heiliggesprochen wird. Fast alles an der Geschichte des Jugendlichen, der am 12. Oktober 2006 an Leukämie gestorben ist und schon kurz danach als „Influencer Gottes“ verehrt wurde, ist für viele Menschen nur schwer begreiflich. Die katholische Kirche allerdings sieht mit dem Teenager-Heiligen eine Chance, junge Menschen für den Glauben zu interessieren.

Die rasante Geschwindigkeit, mit der der 15-jährige Schüler am 10. Oktober 2020 zunächst seliggesprochen wurde, sorgt ebenso für Verwunderung wie das danach mit Vehemenz betriebene Heiligsprechungsverfahren, das nun mit einer großen Zeremonie auf dem Petersplatz seinen Höhepunkt erreicht. Über 100000 Menschen werden dazu erwartet. Eigentlich wollte Franziskus den Jugendlichen am Sonntag nach Ostern heiligsprechen, doch der Papst ist bekanntlich am Ostermontag verstorben. Die Heiligsprechung wurde daher auf den 7. September verschoben. Nachfolger Leo XIV. vollendet jetzt die Geschichte der wundersamen Kanonisation.

Der Jugendliche mit dem dunklen Haarschopf, der auf Fotos meist mit rotem Poloshirt, Jeans und Sneakers zu sehen ist, stammte aus reichem Elternhaus. Carlo wurde in London geboren. Sein Vater arbeitete in der Finanzwelt, wurde dann nach Mailand versetzt. Das Kindermädchen soll dem Jungen den katholischen Glauben nahegebracht haben.

Als Schüler besuchte Carlo eine Jesuitenschule – dort entwickelte er seine Computerleidenschaft. Er entwarf Webseiten und baute eine Datenbank auf. Und zwar, wiederum ungewöhnlich für einen Schüler, über vermeintliche Wunder. Vieles, was heute über den „Cyber-Apostel“ berichtet wird, klingt zumindest erstaunlich. So erzählt seine Mutter, dass er als Kind gesagt habe, er denke daran, Priester zu werden. Seine Mitschüler soll Carlo davor gewarnt haben, auf Pornoseiten im Internet zu gehen. „Die einzige Frau in meinem Leben ist die Jungfrau Maria“, soll er erklärt haben. Einer seiner besten Schulfreunde, Federico Oldani, will das nie gehört haben. Er bezweifelt, dass Carlo so fromm war, wie er heute dargestellt wird. Auch den Satz von der Eucharistie als Autobahn in den Himmel kennt der Schulfreund nicht, verriet Oldani der Wochenzeitung „The Economist“.

Carlo kam auf tragische Weise ums Leben. Anfang Oktober 2006 erkrankte er an einer bösartigen Form der Leukämie und fiel ins Koma. Keine zwei Wochen später starb er. Allein sein Weg zur Heiligkeit grenzt an ein Wunder. Sein Leichnam wurde mehrfach umgebettet – bis er seine letzte Ruhe in Assisi fand. Hier liegt er in einem gläsernen Sarg. Sein Gesicht und seine Hände wurden mit Silikon nachgearbeitet.

Im vergangenen Sommer ging eine Reliquie mit dem Herzen des „Cyber-Apostels“ auf Reisen: Hunderte von Gläubigen kamen im Juli 2024 allein in die Kirche St. Peter mitten in München. Manche waren hunderte Kilometer gefahren, um in der Nähe der Reliquie zu sein. Die Kirche hat als Wunder anerkannt, dass ein Junge in Brasilien von einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung geheilt worden sein soll, nachdem er eine Reliquie von Carlo Acutis berührt haben soll.

Ein Wunder ist eine der Voraussetzung für eine Heiligsprechung. Das Verfahren für eine Heiligsprechung kostet aber auch Geld. Allein die notwendigen Gutachten sind teuer. Carlos Eltern sollen hier, so heißt es, Geld bereitgestellt haben. Die Verehrung des „Influencer Gottes“ wird freilich auch vermarktet. In Assisi gibt es nicht nur Kühlschrank-Magneten, T-Shirts und Anhänger: Man kann sich Carlo auch in Lebensgröße schnitzen lassen. Für 5000 Euro. CLAUDIA MÖLLERS

Artikel 6 von 11