Venedigs Löwe stammt aus China

von Redaktion

Einer neuen Studie zufolge brachten Vorfahren Marco Polos die Figur nach Italien

Der Löwe auf der Piazza San Marco. © Mauritius

Venedig – Seit Jahrhunderten wacht ein geflügelter Löwe über Venedig. In der Lagunenstadt befinden sich seit dem Jahr 828 n. Chr. die Reliquien des heiligen Markus, des Schutzpatrons der Stadt. Das Symbol des Heiligen ist der Löwe. Die Republik Venedig (8. Jahrhundert bis 1797) wandelte die Löwen-Ikone in ein Staatsemblem um, das noch heute omnipräsent ist. Das bekannteste Beispiel ist der geflügelte Markuslöwe, der auf einer der beiden roten Granitsäulen auf dem zentralen Markusplatz steht, aber auch der Hauptpreis „Goldener Löwe“ des örtlichen Filmfestivals. Forscher haben nun herausgefunden, dass die Löwen-Figur auf dem Markusplatz ursprünglich aus China stammt. Vorfahren Marco Polos könnten sie nach Italien gebracht haben.

Damit wären einerseits die im Mittelalter engen Verbindungen der Republik Venedig zum Reich der Mitte an einem spektakulären Beispiel bestätigt. Es liegt aber auch politisches Potential in der Thematik. Venedig wird von Touristen überlaufen (rund 15 Millionen Besucher jährlich), in der Vergangenheit gab es immer wieder Klagen darüber, dass chinesische Unternehmer, Bar- und Restaurantbesitzer die lokalen Unternehmer verdrängen würden. Insbesondere Sympathisanten der Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der rechtspopulistischen Lega, die in der Region Venetien regiert, vertreten diese Rhetorik. Ein chinesischer Markuslöwe wäre da ein starkes Ding.

Forscher der Universität Padua haben Anfang des Monats ihre China-Hypothese in der Fachzeitschrift Antiquity begründet und Stilmerkmale des Markuslöwen analysiert. So deuteten Spuren an der nicht genau zu datierenden Bronzeskulptur auf Veränderungen der Statue hin. Sie soll andere Flügel, größere Ohren und Hörner gehabt und damit Ähnlichkeiten mit Löwenfiguren aus China aufgewiesen haben. Eine Analyse von Bleiisotopen ergab, „dass das für die Herstellung verwendete Kupfer aus der Region des unteren Jangtse im Südosten Chinas“ stamme, so die Autoren. Der Jangtse ist der längste Fluss Chinas.JULIUS MÜLLER-MEININGEN

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