Vom Maler zum Klassiker der Speisekarte

von Redaktion

Das Carpaccio wurde in Venedig erfunden. © Sator/dpa

Venedig – Der Maler Vittore Carpaccio wäre längst in Vergessenheit geraten, ebenso wie Italiens Königin Margherita und John Montagu, der vierte Earl of Sandwich. Doch mit seinem Namen ist der Renaissance-Maler aus Venedig ein halbes Jahrtausend nach seinem Tod noch immer in aller Munde. Und das ist durchaus wörtlich gemeint, so wie bei den beiden anderen auch: Allesamt sind sie Namensgeber für bekannte Speisen.

Was die Königin (1851-1926) für eine Pizza und der Earl (1718-1792) für ein belegtes Brot ist, ist der Maler (1465-1525/26) für eine Vorspeise aus hauchdünn geschnittenen Scheiben rohen Rindfleischs. In diesem Herbst wird das Gericht 75 Jahre alt.

Entwickelt wurde das Carpaccio 1950 in „Harry‘s Bar“ in Venedig, einer der bekanntesten Bars der Welt. Bargründer Giuseppe Cipriani, Vater des heutigen Besitzers, soll es für eine venezianische Stammkundin kreiert haben, der die Ärzte eine Diät ohne gegartes oder gebratenes Fleisch empfohlen hatten.

Allerdings gibt es unter Experten doch einige Zweifel, ob Cipriani, der in der Vermarktung mindestens ebenso gut war wie in Küche und Bar, nicht ein bisschen etwas dazu erfunden hat. So wird vermutet, dass die Gräfin weniger auf Empfehlung der Ärzte rohes Fleisch haben wollte, sondern eher, weil dies damals als Garant für eine gesunde Gesichtsfarbe galt.

Das Originalrezept ist äußerst schlicht: eiskaltes, aber nicht gefrorenes Rindfleisch aus der Lende in hauchdünne Scheiben schneiden, sodass man fast hindurchsehen kann. Salzen, pfeffern, nochmals kalt stellen, warten. Serviert wird mit einer Mayonnaise aus Olivenöl, Eigelb, Weißweinessig, Senf, Zitronensaft und Worcestersoße, die mit feinem Strich darüber gegossen wird.

Auf die Idee, das Gericht „Carpaccio“ zu nennen, kam Cipriani, weil in Venedig damals gerade eine Ausstellung über den einheimischen Künstler lief. Aus den Wimmelbildern, die der Maler im 15. und 16. Jahrhundert anfertigte, sticht immer wieder ein kräftiges Rot hervor, das an Blut oder Fleisch erinnern kann. Zwei Jahre zuvor hatte Cipriani bereits einen Cocktail nach einem Renaissance-Maler benannt: den Bellini, nach dem Venezianer Giovanni Bellini.

Auch in Deutschland wird bei guten Italienern

Carpaccio serviert. Meist wird es als Vorspeise gegessen. Aber nicht nur mit Fleisch: Carpaccio gibt es inzwischen auch von Lachs, Thunfisch, Jakobsmuscheln, Trüffeln, Pilzen, Tomaten, selbst Erdbeeren und Ananas.

In „Harry‘s Bar“ bleiben sie jedoch lieber bei ihrem Originalrezept und feiern Carpaccio auch weiterhin als ihren Klassiker. Trüffel, Parmesan oder Rucola gibt es in der Bar nicht dazu. Sie servieren nur ein Schüsselchen mit Eisbergsalat und fein geschnittenen Radieschen und Karotten, betupft mit Olivenöl. Der Preis für das Gericht liegt inzwischen bei 60 Euro und ist vor allem bei Touristen beliebt.

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