Wenn das Vergessen zum Alltag wird. © Harald Oppitz/KNA
Bonn – „Ich fühle mich zu langsam und ich komme innerlich nicht mehr mit“: So hat Marianne M. aus Paderborn das Fortschreiten ihrer Demenz beschrieben. Betroffene wie sie haben oft Angst, fühlen sich traurig oder wütend und sind überfordert. Demenz ist schon lange keine seltene Erkrankung mehr. Bereits heute zählt sie zu den fünfthäufigsten Todesursachen in den Industrieländern.
Ende 2023 lebten in Deutschland nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten davon mit Alzheimer. Prognosen gingen davon aus, dass sich die Zahl bis 2050 auf 2,7 Millionen Erkrankte erhöhen könnte.
Zweifel an der düsteren Vorhersage weckte kürzlich jedoch eine im „Deutschen Ärzteblatt“ erschienene Studie: Wissenschaftler um Bernhard Michalowsky vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Rostock und Greifswald sind zu dem Schluss gekommen, dass es in den vergangenen Jahren zu einem Rückgang der Erkrankungsfälle um 26 Prozent gekommen sei und 2022 nur 1,43 Millionen Menschen erkrankt seien. Rückgänge gab es verstärkt in den jüngeren Altersgruppen sowie bei Frauen.
Gründe dafür könnten eine bessere Bildung der Babyboomer und eine intensivere Behandlung von Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes oder der Rückgang des Alkoholkonsums in den vergangenen Jahrzehnten sein, sagt Frank Jessen, Psychiater an der Uniklinik in Köln. Auch die Zahl der Menschen, die im dritten Lebensabschnitt Sport treiben, steigt.
Denkbar sind nach Angaben der Autoren aber auch statistische Verzerrungen: Zum Beispiel ein verändertes Diagnoseverhalten der Ärztinnen und Ärzte – etwa wegen wachsender Patientenzahlen und Personalmangels in den Praxen. Fest steht: Die Erkrankungszahlen bleiben hoch.
Demenz belastet Patienten und Angehörige schwer und sorgt zugleich für hohe volkswirtschaftliche Kosten. Als Ursache der Alzheimer-Krankheit gelten Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn, Eiweiß-Verklumpungen in den Zellen und Fehlfunktionen des Immunsystems.
Bisher gilt die Krankheit als unheilbar. Viele Menschen hoffen aber auf ein wirksames Gegenmittel. Seit Anfang September ist in der EU mit „Leqembi“ (Wirkstoff Lecanemab) erstmals ein Medikament verfügbar, das an den Ursachen von Alzheimer ansetzt. Ein wichtiger Fortschritt, auch wenn eine Heilung weiterhin nicht in Sicht ist, wie die Alzheimerforschung Initiative zum Welt-Alzheimertag am Sonntag mitteilt. Das neue Medikament „Leqembi“ sorgt dafür, dass die Ablagerungen abgebaut werden. Dadurch kann es den Verlauf der Krankheit um wenige Monate verlangsamen. Gegen Demenzerkrankungen hilft aber auch, die Risikofaktoren zu verringern. Dazu zählen Bluthochdruck, Diabetes oder Depressionen ebenso wie soziale Isolation.