Glücksspielsucht – Zocken bis in den Ruin

von Redaktion

Millionen Menschen sind süchtig nach Glücksspielen. © Schuldt/dpa

Bielefeld/Bremen – Sie zocken bis zum letzten Cent und reißen oft auch ihre Familien mit in den Abgrund. Fast fünf Millionen Menschen in Deutschland sind nach Schätzungen süchtig nach Glücksspielen oder spielen in riskanter Weise. Auch für ihre Partner kann das drastisch werden, und viele Kinder leiden mit. Fatal auch: Glücksspielsucht bleibt lange unbemerkt.

„Glücksspielstörung ist eine der häufigsten Abhängigkeitserkrankungen in Deutschland – mit gravierenden Folgen für Gesundheit, Beziehungen und die finanzielle Existenz“, schildert der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck. Er geht von rund 1,3 Millionen betroffenen Erwachsenen aus und hunderttausenden Kindern, die mit einem spielsüchtigen Elternteil aufwachsen.

Illegales und vor allem digitales Glücksspiel würden die Lage verschärfen, sagt Streeck der dpa. „Glücksspiel ist keine harmlose Freizeitbeschäftigung. Wir brauchen konsequenten Jugend- und Spielerschutz, wirksame Prävention und bessere Daten, um Betroffene und ihre Familien wirksam zu schützen.“

Bei Nicole Dreifeld war es der Spielautomat. „Am Anfang wurden aus vier Euro 45 Euro. Dann war es wie ein Rausch. Man versucht es wieder und wieder, hat tausend Gedanken, was man sich alles kaufen könnte.“ Sie habe in vier Jahren rund 60 000 Euro verzockt, erzählt Dreifeld, die heute Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Selbsthilfe Glücksspielsucht („Glücksspielfrei“) ist.

Als das exzessive Spielen begann, war ihr Sohn sechs Jahre alt. Oft ließ die alleinerziehende Mutter ihn stundenlang allein, um in die Spielhalle zu gehen. „Rückblickend war ich eine Rabenmutter, aber in der Sucht findet man immer eine Ausrede, warum man sich die Spielzeit gönnt.“ Alle Rücklagen und ihr Gehalt gingen drauf, Kredite türmten sich auf 30 000 Euro auf.

„Jeder Spieler ist auch ein perfekter Schauspieler.“ So bleibe diese Suchtform oft im Verborgenen, was fatal auch für die Kinder sein könne, die ebenfalls Hilfe bräuchten. Mit Mitstreitern gründete Dreifeld Ende 2021 den Bundesverband.

„Spielsüchtige Eltern sind in ihren Problemen so gefangen, dass sie sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern können“, beschreibt Verena Küpperbusch, Leiterin der NRW-Landesfachstelle Glücksspielsucht in Bielefeld. „Psychische Verwahrlosung ist ein großes Problem.“ Schätzungen gehen von etwa 600 000 Kindern und Jugendlichen mit mindestens einem spielsüchtigen Elternteil aus.

„Es kann zu Angststörungen kommen, zu Depressionen, Problemen in der Schule, Leistungsabfall“, weiß Küpperbusch. „Kinder übernehmen es von ihren Eltern, sich zu verstecken, zu leugnen. Die Spielsucht ist das beherrschende Thema zu Hause, aber draußen darf niemand davon wissen. Das ist ein enormer Druck für die Kinder.“ Sie leiden oft still, sind für Hilfen schwer erreichbar.

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