Die Spione ließen Teile ihrer Ausrüstung zurück. © dpa
In Oberperfuss bei Innsbruck, der Heimat von Franz Weber, richteten die Agenten ihre Basis ein. © Imago
Die Helden der Operation Greenup nach dem Zweiten Weltkrieg: Franz Weber (links), Fred Mayer (rechts) und vorne Hans Wijnberg. © NARA/Tyrolia-Verlag
München/Oberperfuss – Die Schnallen sind verrostet, Gurte verschlissen – was wie Material aussieht, das eher für die Tonne taugt, ist das jüngste Zeugnis einer beispiellosen Geheimdienstaktion am Ende des Zweiten Weltkriegs. Es handelt sich um Ausrüstungsgegenstände von drei Agenten. Die Forscherin Edith Hessenberger ist überzeugt, dass diese zur „Operation Greenup“ gehören, einer Geheimoperation von drei Spionen. Entdeckt wurden die Teile auf dem Sulztalferner in den Stubaier Alpen. Hessenberger, Leiterin der Ötztaler Museen, sagt: „Mittlerweile sind wir uns zu 100 Prozent sicher, dass die Objekte zu den drei Männern gehörten.“ Es handle sich wohl um Versorgungsmaterial, das mit Fallschirmen abgeworfen und von den Spionen im Schnee versteckt worden war.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist absehbar, als am 26. Februar 1945 drei junge Männer im Schneesturm aus einem Bomber abspringen und auf 3000 Metern Höhe in den Stubaier Alpen Feindesland berühren. Friedrich „Fred“ Mayer stammt aus Freiburg, mit seiner jüdischen Familie war er in die USA geflohen und lebt in Brooklyn. Auch der Niederländer Hans Wijnberg war in die USA geflohen. Der Dritte ist ein Einheimischer: Franz Weber stammt aus Oberperfuss bei Innsbruck. Er war Offizier der Wehrmacht, die Grauen des Nazi-Krieges konnte er nicht mehr ertragen, desertierte und schloss sich 1944 in Italien den Amerikanern an.
Dort, in Bari, liegt der Stützpunkt des US-Militärgeheimdienstes OSS. Die beiden jüdischen Agenten erhielten hier ihre Ausbildung als Einzelkämpfer. Weber wird als Ortskundiger rekrutiert und schließt sich dem Duo an. Die strategische Lage ist zu dem Zeitpunkt verworren. Wie sollte der Vormarsch aus Italien vonstattengehen. Gab es die berüchtigte Alpenfestung? Der OSS entschloss sich zu einem gefährlichen Unternehmen hinter den feindlichen Linien: Operation Greenup.
Nach dem Absprung schlägt sich das Trio zu Webers Heimat Oberperfuss durch. Hier installieren sie ihre Basis. Vom Kraxnerhof sendet Wijnberg am 8. März den ersten Funkspruch. Es ging den Agenten bei ihrem Einsatz um Erkenntnisgewinn zu drei Fragen: Wie läuft der Militärtransport über den Brenner, wie real ist die Gefahr durch die Alpenfestung, wie ist der Stand beim Bau des Düsenjägers ME 262 in den Werken in Innsbruck/Kematen?
In Oberperfuss, wo es Mitwisser gibt, halten alle dicht. Webers Schwester hat zudem Zugriff auf Uniformen und Urlaubsscheine. Fred Mayer gelingt es so, sich als Wehrmachtsoffizier ins Innsbrucker Offizierscasino einzuschleichen. Von einem Eisenbahner bekommt er Fahrpläne über den Brenner. Die Ami-Bomber schalten damit 26 Züge aus. Und auch über den Düsenjäger wird Meyer informiert und kann Entwarnung geben.
„Mayer, Wijnberg und Weber haben von Tirol aus per Funk entscheidende Informationen über Bahntransporte, Rüstungsaktivitäten und den Zustand der NS-Streitkräfte geliefert“, sagt Peter Pirker von der Universität Innsbruck. Laut Pirker seien aber Berichte, wonach die Operation Quentin Tarantino zum Film „Inglourious Basterds“ inspirierte, trotz einzelner Parallelen nicht belegbar. Sein Buch nennt der Historiker „Codename Brooklyn“. Nach dem Ort, an dem Mayer eine neue Heimat fand, gleichzeitig der geheime Name, den der OSS seinem Einsatzziel gab: Innsbruck.M. CHRISTANDL