Achtung Kontrolle: In Italien wird oft auf von Touristen befahrenen Strecken geblitzt. © BihImayer/MAGO
Rom – Radarfallen in Italien sind Urlaubern ein Graus. Südlich der Alpen sind sie ein Politikum. Das liegt einerseits an der großen Zahl vor allem in Norditalien aufgestellter fester Blitzer oder „Autovelox“, wie sie genannt werden. Nach einer Schätzung von 2021 gibt es mehr als 14 000, andere gehen von rund 11 000 Radarfallen in Italien aus. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es etwa 4700 Blitzer.
Zum anderen gibt es oft den Vorwurf, einige italienische Gemeinden sanierten ihre Bilanzen mit den Blitzer-Bußgeldern. Zu fragwürdiger Berühmtheit brachte es das Dolomitendorf Colle Santa Lucia bei Belluno, das allein 2024 rund eine Dreiviertelmillion Euro durch Geschwindigkeitsübertretungen einnahm.
Das Plus soll insbesondere durch einen Blitzer auf der vor allem von Touristen befahrenen Strecke über den Passo Giau zustande gekommen sein. Der 300-Einwohner-Ort steht damit auf Platz eins der Pro-Kopf-Einnahmen von Verkehrsbußgeldern (2500 Euro pro Bewohner). Im Jahr 2024 flossen in Italien insgesamt über zwei Milliarden Euro an Blitzer-Strafen in die öffentlichen Kassen, etwa 200 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Das Thema Blitzer bewegt die Gemüter in Italien. Der Chef der rechtspopulistischen Lega-Partei und Verkehrsminister, Matteo Salvini, muss nun um sein bereits politisch angeschlagenes Image fürchten und startet einen Angriff auf die Radarfallen.
Italienische Gemeinden und lokale Polizeistellen müssen einem Dekret des Verkehrsministers zufolge ab sofort bis zum 30. November ihre Blitzer auf der Homepage des Verkehrsministeriums registrieren. Dabei müssen sie Ort, Marke, Modell, Art der Anlage sowie Nummer des Geräts angeben. Nur registrierte Radaranlagen sollen in Zukunft in Funktion bleiben dürfen. Salvini nannte die Zählung „Operation Wahrheit“.
Das Ziel des Ministers bestehe „ausschließlich darin, die Wirksamkeit von Geräten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sicherzustellen“, heißt es vom Ministerium. Geräte, die nicht den Vorschriften entsprächen „oder eher der Erzielung von Einnahmen als der Verhinderung von Fehlverhalten dienen, werden nicht toleriert“, polterte Salvini.
Hintergrund der Aktion dürfte bei allem guten Willen Salvinis aber auch sein, dass 76 Prozent aller Radarfallen in Norditalien, also im Veneto, der Lombardei, dem Piemont und der Emilia-Romagna aufgestellt sind. In den erstgenannten Regionen hat die Lega ihre Stammklientel. Als vergangenes Jahr ein Unbekannter im Norden systematisch Radarfallen mit der Flex absägte und Bekennerschreiben mit dem Namen „Fleximan“ hinterließ, bekam der Täter ungeahnte Sympathiebekundungen. Der 42-Jährige aus Rovigo wurde später gefasst.
Mit der Radarfallen-Zählung soll nun Chaos beseitigt werden. Zahlreiche Verkehrssünder in Italien klagen gegen die Bußgelder. Grund sind mehrere Urteile des Obersten Gerichtshofs in Rom, welches bestimmt, dass die Anlagen ordnungsgemäß zugelassen sein müssen. Eine entsprechende Vorschrift gilt erst seit 2017. 60 Prozent der Anlagen wurden aber bereits zuvor installiert. JULIUS MÜLLER-MEININGEN