Die Messingringe lassen den Hals länger wirken. © dpa
Chiang Rai – Am Rand der Berge nördlich von Chiang Rai sitzen Frauen vor ihren Hütten und weben flink bunte Schals. An einer Bambusstange wehen die fertigen Handarbeiten im Wind. Sie dienen als eine Art „Tauschgeschäft“: Touristen kaufen die Souvenirs und dürfen im Gegenzug Fotos von den „Long Neck Karen“ machen, deren Hälse durch dutzende spiralförmige Messingringe in die Länge gestreckt zu sein scheinen. „Giraffenfrauen“ werden sie im allgemeinen Sprachgebrauch oft genannt, auch wenn der Begriff als Beleidigung gilt.
Ein Ausflug zu den „Karen-Langhalsfrauen“ ist schon lange eine beliebte Touristenattraktion im Norden von Thailand. Aber viele Besucher reisen mit gemischten Gefühlen wieder ab – fasziniert von der exotischen Kulisse und zugleich unsicher, ob sie Zeugen einer uralten Tradition oder Teil einer Inszenierung waren.
Den herabwürdigenden Begriff „Femmes Girafes“ (Giraffenfrauen) soll ein polnisch-französischer Asienforscher geprägt haben. Unter diesem Namen tourten einige „Long Neck Karen“ seit Anfang des 20. Jahrhunderts sogar durch Großbritannien und die USA, wo sie im Zirkus und in Shows vorgeführt wurden.
Die Frauen gehören der ethnischen Untergruppe Kayan Lahwi an und stammen ursprünglich aus Birma, dem heutigen Myanmar. Das Land leidet unter immer wiederkehrenden Konflikten, die durch den Militärputsch von 2021 erneut eskalierten und das Land in einen neuen Bürgerkrieg stürzten. Seit Jahrzehnten sind Kayan Lahwi vor der Gewalt ins Nachbarland Thailand geflohen. Ihr rechtlicher Status ist und bleibt aber problematisch. Die Bewegungsfreiheit, Arbeitsrechte und Bildungschancen sind stark eingeschränkt.
„Thailand trägt die Verantwortung, die Rechte der Menschen innerhalb seines Landes zu schützen und zu wahren – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihren Dokumenten“, sagte Shayna Bauchner, Asienexpertin bei Human Rights Watch. Wenn diese Bevölkerungsgruppen endlich offiziell in Thailand leben und arbeiten dürften, würde dies die Ausbeutung verringern „und ihnen ermöglichen, nachhaltig und in Würde zur thailändischen Wirtschaft beizutragen“, betonte sie.
Aber von einem solchen offiziellen Status scheinen die „Long Neck Karen“ noch weit entfernt. Der Eintrittspreis in das Dorf beträgt 300 Thai Baht (etwa 8 Euro). Der Mann an der Kasse erzählt, dass das Geld an die „Union of Hill Tribes“ gehe, ein Projekt, das darauf abzielt, die Kulturen ethnischer Minderheiten zu bewahren und gleichzeitig den Tourismus zu fördern. Die Kayan Lahwi dürften dafür umsonst im Dorf wohnen und bekämen auch alle Materialien zur Herstellung von Souvenirs kostenlos zur Verfügung gestellt.