Der neunjährige André starb bei dem Anschlag.
Chaos nach dem tödlichen Anschlag vier Tage vor Heiligabend in Magdeburg. © Rebsch/dpa
Der völlig zerstörte BMW, den der Angeklagte zuvor bei einer Autovermietung ausgeliehen hatte. © Schmidt/dpa
Der Angeklagte hält plötzlich seinen Laptop in die Kameras. Auf dem Bildschirm ist „#MagdeburgGate“ zu lesen. Was er damit sagen wollte, bleibt unklar. © Hartmann/AFP
Magdeburg – Konzentriert richten sich die Blicke auf den Mann in einer extra gesicherten Glaskabine, während die Anklage den Verlauf und die Folgen seiner Todesfahrt nachzeichnet. Fast elf Monate nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit sechs Toten und mehr als 300 Verletzten hat der Prozess gegen Taleb A. aus Saudi-Arabien vor dem Landgericht unter starken Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Etliche Betroffene sind als Nebenkläger in dem extra errichteten Interims-Gerichtsgebäude dabei.
Fotografen hielt der 51 Jahre alte Angeklagte einen Laptop entgegen, auf dem Bildschirm stand „#MagdeburgGate“ und „Sept. 2026“. Was dies bedeuten soll, war unklar. Regungslos verfolgte der Mann mit langem, grau melierten Bart dann in seiner Glasbox die Verlesung der Anklage. Der Angeklagte Taleb A. habe in der Absicht gehandelt, „eine unbestimmte große Zahl von Menschen zu töten“, sagte Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher. Nachdem er und sein Kollege Marco Reinl damit nach gut zwei Stunden fertig waren, kündigte A. an, sich zu äußern. Dies werde „stundenlang, vielleicht auch tagelang“ dauern, erklärte der 51-Jährige.
Dann gibt A. wirre Erklärungen von sich, redet von Voltaire und dem Propheten Mohammed und kritisiert den forensischen Gutachter, der ihn als narzisstisch gestört und paranoid bezeichnet habe. A. wiederholt seine Vorwürfe gegen die Magdeburger Polizei. Sie habe, so behauptet er, die Wahrheit über die Tat verschleiert, um „Kollegen in Berlin zu schützen“. Er verbreitet politische Botschaften, bis der Vorsitzende Richter droht, ihm das Wort zu entziehen.
Der 51-Jährige, der als Arzt im Maßregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, war kurz vor Weihnachten mit einem Mietwagen über den Weihnachtsmarkt gerast.
Die Anklage wirft ihm vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord in 338 weiteren Fällen vor. Oberstaatsanwalt Böttcher vollzog in der Anklage den Weg des Angeklagten über den Weihnachtsmarkt nach. Zuerst erfasste A. Passanten, die an einer Fußgängerampel warteten. Er lenkte den mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen auf den Weihnachtsmarkt, etwa 350 Meter weit und mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde.
Aus einer „vermeintlich persönlichen Frustration“ heraus sei es dem Beschuldigten darum gegangen, eine „möglichst große Menge von Personen“ zu erfassen. Dafür sei er in Schlangenlinien gefahren, um möglichst viele Personen zu treffen – um so die „von ihm gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen“, so Böttcher.
Am Ende starben sechs Menschen, fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren sowie ein neunjähriger Junge. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt. Ob in diesem Jahr der Magdeburger Weihnachtsmarkt stattfindet, bleibt noch offen. Er erhält vorerst keine Genehmigung – wegen Diskussionen um das Sicherheitskonzept. Ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes an die Stadt kritisiert das Konzept. Unter anderem geht es um den Zufahrtsschutz und die Sicherheitskräfte.