Wie ein deutscher Bettler zum Heiligen wurde

von Redaktion

Der Ausschnitt des Cranach-Triegel-Altars. © Sator/dpa

Rom – In den Nächten ist es jetzt auch in Rom schon wieder kalt. So kalt, dass die Obdachlosen, die jeden Abend rund um den Petersplatz ihr Nachtquartier aufschlagen, einige Extralagen Zeitungen und Karton mitbringen. Wenn auch nicht so bitterkalt wie im November vor drei Jahren, als einer von ihnen hier erfror, ein Deutscher. Jetzt ist Burkhard Scheffler – so hieß der Mann, den bislang kaum jemand mit Namen kannte – zurück: als Petrus auf einem Altarbild einer Nebenkirche des Petersdoms. Heiliger geht kaum.

Die Geschichte, warum ein toter deutscher Bettler nun im Zentrum der katholischen Kirche als Apostel mit dem Schlüssel zum Himmelreich auf einem Heiligengemälde zu sehen ist, ist einigermaßen kompliziert. Scheffler gehörte zu den mehreren Dutzend Obdachlosen, die das ganze Jahr hindurch unter den Kolonnaden des Petersplatzes übernachten.

Mit seinem Bart fiel der Bettler auch Michael Triegel auf. Der Maler aus Leipzig, der auch den früheren deutschen Papst Benedikt XVI. porträtiert hat, ist oft in Rom. Im Winter 2018 sah er Scheffler im Stadtteil Trastevere auf der Schwelle einer Kirche sitzen. „Ich habe sofort gedacht: Der sieht aus wie Petrus. Wenn du irgendwann einen Petrus für ein Bild brauchst – das ist dein Petrus.“

Scheffler willigte ein, sich malen zu lassen. Am Ende gab es 70 Euro. Das Porträt nutzte Triegel, als er den Auftrag bekam, für ein im 16. Jahrhundert schwer beschädigtes Altargemälde von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) aus dem Dom von Naumburg (Sachsen-Anhalt) einen neuen Mittelteil zu malen. Dort ist der Obdachlose aus Rom nun inmitten anderer moderner Figuren auf goldenem Grund als Petrus mit rotem Basecap zu sehen, der Zweite von rechts.

Nur wusste bis vor Kurzem niemand, dass das Vorbild für den Apostel Burkhard Scheffler hieß und nicht mehr am Leben ist. Der Bettler wurde an einem Novembermorgen 2022 unter den Kolonnaden tot aufgefunden. Er war über Nacht erfroren, 61 Jahre alt. Die Nachricht erreichte auch den damaligen Papst. Franziskus nahm den Deutschen in sein nächstes Sonntagsgebet auf. Zudem sorgte er dafür, dass Scheffler auf dem Campo Santo Teutonico ein Grab erhielt, dem deutschen Friedhof neben dem Petersdom. Und nur so bekam der Petrus auf dem Gemälde auch einen Namen und eine Geschichte: Seit einiger Zeit gibt es Streit darüber, wo der umgestaltete Cranach-Altar im Naumburger Dom stehen soll. Inzwischen beschäftigt sich damit sogar die UN-Kulturorganisation Unesco. Befürchtet wird, dass dem Dom der Status als Welterbestätte entzogen wird. Deshalb wurde das Altargemälde jetzt vorübergehend nach Rom ausgelagert. In der Kirche des Campo Santo Teutonico steht es nun, wenige Schritte entfernt von Schefflers Grab.

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