Italien will auf Sommerzeit umstellen. © Brancolini/dpa
Rom – Italien ist ein innovatives Land. Galileo Galilei erfand das erste Thermometer, Leonardo da Vinci das erste Panzerfahrzeug, Guglielmo Marconi das Radio, Angelo Moriondo die Espressomaschine und Enrico Piaggio die Vespa. Nun schwingt sich Italien wieder einmal zur Avantgarde auf und schickt sich an, das erste Land in Europa zu werden, das von der Zeitumstellung Abschied nimmt.
Am Montag begann im Parlament in Rom das Verfahren zu diesem Zweck. Bis April soll das Parlament eine entsprechende Resolution erarbeiten, die dann der Regierung vorgelegt wird. 352 000 Italienerinnen und Italiener haben das Verfahren bereits mit ihren Unterschriften unterstützt. Die Parlaments-Untersuchung soll die Auswirkungen auf Energieverbrauch, Umweltbelastung, öffentliche Gesundheit, Sicherheit und soziale Gewohnheiten analysieren. Im Juni 2026 könnte dann ein Gesetzesvorschlag stehen, über den abgestimmt werden kann.
Manchen Experten zufolge hat die Zeitumstellung heute keinen Sinn mehr. Die Einsparung von Energie sei gleich null, die Umstellung habe negative Auswirkungen auf den menschlichen Biorhythmus, die Auswirkungen auf die Umwelt mit weniger Kohlendioxid-Ausstoß könnten positiv sein, auch der Einzelhandel könnte von einer Stunde mehr Sonnenlicht im Winter profitieren. Aber warum kommt der Vorschlag zur Rückkehr zur ewigen Sommerzeit ausgerechnet aus dem Land, das zumindest aus nordeuropäischer Sicht an Sonne nun wirklich keinen Mangel hat?
Die Zeitumstellung müsste eigentlich in nördlichen Ländern spürbarer sein, da sich hier der Schlaf-Wach-Rhythmus stärker ändert als im Süden. Oder sind die Südländer so sonnenverwöhnt, dass jeder künstliche Eingriff als besonders bösartiger Eingriff erlebt wird? Auch Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez preschte kürzlich mit der Feststellung vor, zweimal im Jahr die Zeit umzustellen, habe „keinen Sinn mehr“. „Die Vorteile einer zusätzlichen Stunde Sonnenschein sind spürbar und für alle sichtbar“, postulierte Andrea Barabotti, Parlamentsabgeordneter der rechtspopulistischen Lega, die sich mit dieser Feststellung einmal dem europäischen Mainstream angeschlossen hat.
2018 befragte die EU ihre Bürgerinnen und Bürger, 4,8 Millionen Menschen beteiligten sich. Das Ergebnis war überwältigend klar: 84 Prozent waren für die Abschaffung der Zeitumstellung.
Italien hat also jetzt eine neue Mission. Sie lautet: Mehr Sonne für alle!JMM