Henning Baum macht in „Der letzte Bulle“ auf ganz harten Kerl. Zumindest nach außen. © Imago S
München – Wann ist ein Mann ein Mann? Das fragt nicht nur Herbert Grönemeyer in seinem Hit „Männer“, sondern wird schon seit Langem immer wieder neu diskutiert. Zum heutigen internationalen Weltmännertag stellen auch wir daher die Frage, was Männlichkeit bedeutet. Die Frage beschäftigt aber Biologen, Psychologen und Soziologen seit Jahrzehnten. Biologisch betrachtet gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen – etwa bei Hormonen, Körperbau oder im Durchschnitt auch in bestimmten Verhaltensdispositionen. Testosteron kann laut mehrerer Studien Risikobereitschaft oder Wettbewerbsverhalten beeinflussen.
Gesellschaftlich wurde Männlichkeit über Jahrhunderte sehr eng definiert: Der Mann sollte stark sein, dominant, finanziell erfolgreich, im Zweifel schweigsam und unerschütterlich. Psychologen sprechen hier von „traditionellen Männlichkeitsnormen“. 70 Prozent der Männer fühlen laut einer Plan International Studie großen gesellschaftlichen Druck, erfolgreich und stark zu sein. Das hat Folgen: Männer mit stark ausgeprägtem traditionellen Rollenverständnis gehen laut mehrerer internationalen Studien weniger zur Vorsorge, sprechen seltener über Gefühle und neigen häufiger zu riskantem Verhalten. Gleichzeitig dominieren sie überproportional stark politische und wirtschaftliche Spitzenpositionen – ein Hinweis darauf, dass traditionelle Erwartungen an Männlichkeit auch Wettbewerb und Statusdenken fördern.
Doch dieses Bild bröckelt. Vor allem jüngere Generationen definieren Männlichkeit neu: Laut einer Ipsos-Studie von 2024 geben 58 Prozent der deutschen Männer an, Stärke vor allem über emotionale Offenheit zu definieren. Dazu zählen die Fähigkeit, Gefühle zu zeigen, ehrlich über Ängste zu sprechen und bei Bedarf Hilfe anzunehmen. Nur 19 Prozent verbinden Männlichkeit weiterhin vorwiegend mit Dominanz, Härte oder Durchsetzungsstärke. Die Mehrheit der Befragten sieht traditionelle Rollenbilder damit deutlich im Wandel. Die Studie zeigt außerdem, dass besonders Männer unter 40 emotionale Verletzlichkeit häufiger als positiven Wert nennen. „Das alte Bild des unabhängigen, starken und dominanten Mannes ist unter Druck geraten“, sagt Geschlechterforscher Stefan Horlacher von der Technischen Universität Dresden. Auch kulturelle Vorbilder haben sich verändert: Neben klassischen Alpha-Typen stehen heute Männer im Fokus, die offen über Therapie sprechen, die in Väterrollen aufgehen oder öffentlich über Verletzlichkeit reden.
Horlacher verweist darauf, dass Männlichkeit weder naturgegeben noch statisch sei. Sie zeige sich vielmehr in vielfältigen Formen – abhängig von sozialer Schicht, Herkunft, Religion oder Generation. In der Männlichkeitsforschung gehe es daher nicht mehr darum, eine einheitliche Definition zu finden, sondern die Vielfalt und Widersprüche von Männlichkeit zu verstehen. „Wir müssen dahin kommen, dass Männer sich selbstverständlich empathisch, fürsorglich und kooperativ verhalten können – in Familie und Beruf“, fordert Sachbuchautor und Männerberater Boris von Heesen.