Die Familie aus dem Wald

von Redaktion

Abruzzen: Gericht entzieht Eltern von drei Kindern das Sorgerecht

Im Kinderzimmer gibt es Licht. © TGR/Rai

Das Waldhaus der Familie in Palmoli in den italienischen Abruzzen. © TGR/Rai

Mutter Catherine und Vater Nathan leben mit ihren drei Kindern im Wald von Palmoli. Auch ein Pferd ist dabei. © Birmingham

Palmoli – Ein italienisches Jugendgericht entzieht alternativen Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder. Genannt werden sie die „Waldmenschen von Palmoli“. Gemeint sind Catherine Birmingham und Nathan Trevallion, die mit ihren drei Kindern Rose Utopia (8) sowie den sechsjährigen Zwillingen Galorian und Bluebell als Selbstversorger im engsten Kontakt mit der Natur in einem Wald in der Region Abruzzen leben.

Jüngst entzog das Jugendgericht der Stadt L‘Aquila den Eltern das Sorgerecht. Die Kinder wurden in ein Heim in die 30 Kilometer entfernte Adria-Stadt Vasto gebracht. Mutter Catherine hat viermal am Tag Zugang zu ihren Kindern. Vater Nathan lebt nun allein im Wald. „Ich habe meinen Kindern gesagt, sie sollen stark sein. Bald werden wir wieder so glücklich sein wie früher“, sagte Trevallion italienischen Medien.

Es ist ein Familiendrama. Doch wer hat die Schuld? Die vom Gericht als unverantwortlich eingestuften Eltern oder das Jugendgericht, das eine Aussteiger-Familie auseinandergerissen hat? Der Fall bewegt ganz Italien, sogar die Politik hat sich eingeschaltet. Das Schicksal der „Waldmenschen von Palmoli“ wird in den Zeitungen diskutiert. Dabei geht es auch um die Fragen: Wieviel Freiheit sollen Eltern bei der Erziehung haben? Und wie sehr darf sich der Staat einmischen?

Die Behörden wurden im Herbst 2024 auf die Familie aufmerksam. Damals wurden die Kinder wegen einer Pilzvergiftung per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Das Jugendamt wurde eingeschaltet, die Polizei untersuchte die Behausung der Familie im Wald von Palmoli. Die nur 40 Quadratmeter große Behausung, in der die Familie seit 2021 wohnt, sei feucht und „unstabil“, hielten die Beamten fest.

Das Haus verfüge weder über Strom, Heizung oder fließendes Wasser, nur eine Trockentoilette stehe außerhalb der Wohnung zur Verfügung. Zur Stromgewinnung verwenden Trevallion und Birmingham Solarzellen. Wasser holt die Familie von einem Brunnen. Geheizt wird mit einem Holzofen. Mit der Familie leben ein Pferd, ein Esel, Hunde, Katzen und Hühner. Die achtjährige Rose Utopia wird von ihren Eltern im „Homeschooling“ unterrichtet. Das Jugendamt bemängelte, dass die Kinder nur einmal geimpft und jahrelang nicht beim Kinderarzt waren. Nach Berichten italienischer Medien gehören die Eltern einer neoruralen Gemeinschaft an. Dabei entscheiden sich Menschen bewusst für einen Lebensentwurf auf dem Land.

Für das Familiengericht in L‘Aquila verletzten die Eltern dabei aber das „Recht auf soziale Teilhabe“ der Kinder, es drohten „schwerwiegende psychische und schulische Folgen“ für die Minderjährigen. Dabei bezogen sie sich in erster Linie auf die Tatsache, dass die Kinder keinen Kontakt zu anderen Gleichaltrigen hätten und nicht in die Schule gingen. Durch die prekären Wohnverhältnisse sei die „körperliche Unversehrtheit“ der Kinder gefährdet, auch weil die Eltern sich weigerten, „die gesetzlich vorgeschriebenen medizinischen Untersuchungen und Behandlungen zuzulassen“.

Die Proteste gegen die Entscheidung sind groß. Gestern hatten über 135 000 Menschen eine Online-Petition zur „Rettung der Familie, die im Wald lebt“ unterzeichnet. Sogar Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni soll sich mit dem Fall befasst haben. Justizminister Carlo Nordio will den Fall untersuchen. Anwalt Giovanni Angelucci kündigte an, das Urteil anzufechten. Die Eltern seien sehr enttäuscht. „Gleichzeitig sind sie zuversichtlich, dass sich alles zum Guten wenden wird. Sie haben niemandem geschadet, sondern leben in Frieden und Harmonie mit ihren Kindern.“JMM

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