Eine bayerische gaststätte für China

Alles „Made in Riedering“

von Redaktion

Es ist 6.30 Uhr morgens. Im beschaulichen Riedering bereitet sich Schreinermeister Peter Kurz (54) auf seinen Arbeitstag vor, als das Telefon läutet. An der Rufnummer erkennt er gleich, dass dieses Gespräch aus dem rund 9000 Kilometer entfernten Shanghai in China kommt. Gott sei dank, denkt er sich!

Riedering – In Shanghai ist es bereits Mittag. Der Anrufer ist Herr Wang. Er steht im Hafen der Millionenmetropole und hat gerade drei Überseecontainer aus Deutschland in Empfang genommen. Die Zeit drängt und so bestätigt er dem Schreiner nur knapp die Ankunft seiner Lieferung. Peter Kurz fällt ein Stein vom Herzen. Es sollte aber noch fast drei Monate dauern, bis die von ihm gefertigten Gaststättenmöbel aus massivem bayerischen Eichenholz eine stilechte bayerische Gaststätte in Shanghai ausstatten sollten. Zollformalitäten dauern in China halt so lange. Manchmal ist es ja auch nur das „i-Tüpfelchen“, das fehlt. „Bei der Übersetzung der Dokumente ins Chinesische entsprachen zwei Wörter nicht der idealen Sprachweise. Deshalb mussten neue Zollpapiere her“, erinnert sich der Schreiner. Für Kurz, seine Frau Andrea, aber auch für viele seiner Freunde eine fast unglaubliche Geschichte: Eine bayerische Schreinerei aus dem exportlastigen China erhält den Auftrag zur Möblierung einer Gaststätte.

Die Geschichte begann ungewöhnlich. Peter Kurz ist Hobby-Musiker und spielt als Freund bayerischer Volksmusik in seiner Kapelle Klarinette und Saxofon. In China mögen die Menschen Bayern, bayerische Kultur und bayerische Lebensart. So importierten die Chinesen schon seit einigen Jahren das „Oktoberfest“. „Dazu gehört als Publikumsmagnet natürlich eine waschechte bayerische Kapelle“, erinnert sich Kurz. Und da war er dabei. So saß der Riederinger Schreinermeister schließlich im Flugzeug und bereits wenige Stunden später in einem überfüllten „Oktoberfestzelt“.

Am Rande der Shanghaier Oktoberfestfeierlichkeiten lernte er den Gastronomen Wang kennen. „Man kam ins Gespräch, natürlich nur auf Englisch, freundete sich an, entwickelte Ideen, aus denen schließlich der Auftrag wurde.“ Schließlich sei alles recht schnell gelaufen. Die Chinesen starteten mit einer kleinen Delegation einen Gegenbesuch in Riedering. Nach eingehender Prüfung der Werkstatt, der Qualität der zu erwartenden Einrichtung und der Leistungsfähigkeit des Familienbetriebes wurde der Auftrag erteilt. Umfang: 120 Tische, 350 Stühle, sechs Service-Theken sowie zwei große Bartresen; Ausführung. Eiche massiv, astig, Äste dunkel ausgefüllt. Für den Schreiner ein riesen Auftrag, aber auch ein logistisches Problem.

Er musste rund 20 Kubikmeter Holz gleicher Qualität beschaffen und lagern. Dann ging es los, erinnert sich Kurz. Während er sich um die Produktion der Ware kümmerte, sorgte seine Frau Andrea für den „Rest“, der es allerdings in sich hatte. Die Möbel mussten unversehrt in China ankommen. Daher wurde eine im Überseegeschäft erfahrene Spedition mit dem Transport und mit der Abwicklung beauftragt. Die Einrichtung wurde in Einzelteile zerlegt, jedes Stück einzeln verpackt und rutschsicher in den Containern verfrachtet. „Dabei mussten wir viele Details berücksichtigen“, sagt Andrea Kurz im Rückblick. „Einerseits mussten die Container wegen der strengen Importvorschriften möglicher Schädlinge begast werden. Andererseits mussten die Teile aber so verstaut werden, dass sie auch bei hohem Seegang nicht beschädigt wurden.“

Als die drei Container fast voll waren und Richtung Überseehafen Hamburg starten sollten, gab es noch einen kleinen Zusatz-Auftrag aus China. Zum stilechten Ambiente eines bayerischen Lokals gehören schließlich auch die vielen kleinen Accessoires wie Hirschgeweihe, Bilder, Zinnteller oder altes Porzellan. „Weil das schnell gehen musste, haben wir die Flohmärkte in der Umgebung unsicher gemacht“, erzählt Andrea.

20000 Euro für die Transportkosten

Die letzten Teile, die in den Container verstaut wurden, waren Schrauber, Bits und Werkzeug, damit die Montage vor Ort nicht am fehlenden Handwerkszeug scheitern sollte, so der Schreinermeister. Dann begann die rund zehnwöchige Schiffsreise, bis zu jenem Morgen, als Herr Wang in Riedering anrief. Mittlerweile wurde die Gaststätte in Shanghai eröffnet und stellt sich bereits als erfolgreicher Selbstläufer heraus. Irgendwann wollen Peter und Andrea „ihre“ Einrichtung einmal im Betrieb sehen, vielleicht bei einer Urlaubsreise. So lange schmücken Fotos von der Eröffnung und mit glücklichen Shanghaiern Gaststättenbesitzern die Wände in der Riederinger Schreinerei.

Herr Wang, der Bayernliebhaber, hätte alles vielleicht auch preiswerter haben können, denn alleine der Transport verursachte Kosten von rund 20000 Euro. Aber in China mögen die Menschen einfach alles Bayerische – natürlich am liebsten, wenn alles „Original from Bavaria“ ist und am besten „Made in Riedering“.

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