Rosenheim/Stephanskirchen/Mühldorf – Hufschmied, Pinselmacher, Kürschner: Handwerksberufe, die vom „Aussterben“ bedroht sind. Kürschnermeister Rudi Stadler, der als Zweiter Obermeister für seine Innung spricht, betreibt einen kleinen Laden mit Werkstatt in Grafing. „Vor zehn Jahren habe ich den letzten Lehrling ausgebildet, seitdem lohnt sich das für uns nicht mehr.“ Ihn habe die Ausbildung junger Leute immer viel Freude gemacht, aber mittlerweile sei ihm der bürokratische Aufwand zu groß geworden.
Den Aufwand, die eigene Näherei auch in Zukunft vor Ort am Laufen zu halten, scheut man bei den Weishäupl Möbelwerkstätten in Stephanskirchen noch nicht. Laut Prokurist Martin Marx tut sich der Betrieb seit Jahren schwer, Näher-Nachwuchs in der hauseigenen Werkstatt auszubilden, in der Stoffe für Gartenmöbel und Sonnenschirme konfektioniert werden. „Schwergewerbe-Konfektionär“ heißt der Ausbildungstitel. Wer gerne näht und sich einen entsprechenden Beruf wünscht, der denke dabei an Mode, nicht an technisches Gewebe, spricht Marx eine der Schwierigkeiten an. Tatsächlich sucht man in der Textilbranche nach Bewerbern, die man im Haus weiterqualifizieren könne – bislang ohne Erfolg. Momentan arbeiteten in der Näherei drei Mitarbeiterinnen, sie sind über 50 Jahre alt. Marx sagt, man habe darauf gehofft, dass unter den Flüchtlingen Frauen sind, die den Umgang mit der Nähmaschine gewohnt seien und gerne handwerklich arbeiten würden, doch diese habe sich durch langwierige bürokratische Verfahren zerschlagen.
Schuhfertiger und Spengler gefragt
Einen passenden Lehrling findet derzeit auch Juri Keil von der Goldschmiede Kraudzun aus Rosenheim nicht: Der letzte Goldschmied wurde vor Jahren ausgebildet; man wäre froh, wenn wieder ein Lehrling in Sicht wäre. Viele Bewerber hätten schlicht falsche Voraussetzungen, hielten sich für stark künstlerisch begabt, obgleich das handwerkliche Geschick im Vordergrund stehe. Auch sei ein Gespür für Mathe und Physik wichtig, denn man lerne, Materialien sparsam zusammenzustellen oder Metalle zu legieren. Während manche Betriebe bitter unter dem Lehrlingsmangel leiden, haben andere (noch) gut lachen: Bei der Gabor Shoes AG in Rosenheim etwa können die Ausbildungsplätze für den Schuhfertiger bislang gut besetzt werden, wie Ausbildungsleiterin Magdalena Ufertinger sagt. Natürlich sei es einfacher, die Stellen der Industriekaufleute zu besetzen. Gerade weil der Schuhfertiger ein nicht so bekannter Beruf sei, bewerbe man diesen umso intensiver. Eigene Schuhfertiger-Azubis präsentierten den Beruf etwa an Schulen. „Das Schöne ist, dass man Handwerk und modernste Technik verbinden kann, das ist ansprechend für die Jugendlichen, da es spannend und herausfordernd zugleich ist.“ Gute Übernahmechancen inklusive. Spannend gehe es auch in der Branche der Sanitär-, Spengler- und Heizungsfachleute zu, ist SHK-Innungsmeister Gerhard Hardrath überzeugt.
Derzeit sei hier kein Lehrlingsmangel zu beklagen. „Im Gegenteil: Den jungen Bewerbern ist bewusst, dass sie mit ihrem Handwerk etwas zur Energiewende beitragen können, die interessieren sich erstaunlich stark für dieses Thema.“ 70 Azubis seien in der Region erst wieder in ihre Ausbildung gestartet, die Berufsschulklassen seien gut besucht. Einen Wermutstropfen gebe es aber: Bis zum 30. Lebensjahr wanderten auch den SHK-Betrieben die gut ausgebildeten Leute ab – nach Meister und Studium wagten viele den Absprung in Industrie oder Kommunen. Dasselbe Dilemma könnte die Friseure treffen, die sich über eine konstant hohe Nachfrage von Azubis freuen, wie Helga Wimmer, Kreishandwerksmeisterin aus Mühldorf, bestätigt. „Wir sehen eher die vielen, neugegründeten Ein-Mann-Friseurläden als Problem, denn diese bilden selbst nicht aus.“ Auf die Branche kommt jedoch noch etwas Neues zu: Der Studiengang Beautymanagement, der heuer erstmals für Friseurmeister in Koblenz angeboten wird.