Der Wirtschaftsbeirat Bayern lud ein

„Hoffnung auf eigenständigen Staat“

von Redaktion

Die EU-Währungspolitik und die Europäische Zentralbank: Themen, über die sich tagelang diskutieren ließe. Die oft Frust und Unverständnis hervorrufen. Trotzdem etwas, das alle EU-Bürger angeht – wenn Experten dazu in klaren Worten Stellung nehmen, hört man schon genauer hin.

Prien – „Wohin geht die Europäische Währungsunion, wie entwickelt sich die Geldpolitik der EZB?“ Es waren eigentlich zwei Themenkomplexe, die Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Bundesband a.D., den Gästen im Restaurant Hacienda in Prien auseinandersetzte. Der Finanzexperte war der Einladung von Andreas März vom Wirtschaftsbeirat Bayern, Bezirk Rosenheim, und der Priener CSU gefolgt. Was die EU-Verantwortlichen nicht schaffen, gelang Zeitler in gut einer Stunde: Einige Ideen klar formuliert und damit verständlich vorzustellen, wie die EU sich von ihrer „Geißel“, der Europäischen Zentralbank EZB, emanzipieren könnte, ohne ihre Einheit zu verraten. Kann eine Währungsunion ohne politische Union überhaupt funktionieren? Wie müsste das Gerüst dazu beschaffen sein? Und was schlägt die Politik dazu vor? Anhand dieser Fragen führte Zeitler durch seinen Vortrag.

Vor der Finanzkrise in Europa vertrat er den Bundesbank-Präsidenten bei den Sitzungen des EZB-Rats. Was er über die Entscheidungen der EZB sagt, muss er also also aus erster Hand wissen. Etwa, dass die EZBler durchaus selbst sähen, welche Probleme es mit sich bringe, gerade jetzt, in Zeiten bester Konjunktur, aber wachsendem Unsicherheitsgefühl in den Gesellschaften, eine ultra-expansive Währungspolitik zu fahren. „Sie tun es, weil sie die EZB momentan als die einzige, handlungsfähige Instanz in der EU betrachten. Und, um Zeit zu gewinnen, bis die Mitgliedstaaten ihre Haushalte saniert haben.“ Doch diese erhofften Effekte würden nicht eintreten, denn unterdessen nähmen die negativen Nebenwirkungen der EZB-Entscheidungen zu. „Das führt zu Fehlanreizen.“

„Die EU bricht ihre eigenen Regeln“

Prof. Franz-Christoph Zeitler

Zum ersten Mal stehe der Währungsraum nun ohne eine politische Union da, so Zeitler. Klare Regeln und verlässliche Institutionen fehlten; die EU unterwandere laufend ihre eigenen Verträge, etwa Maastricht. Um wenigstens die Europäische Währungsunion weiter zu entwickeln, schlägt Zeitler den Brüsseler Verhandlungsführern „einfache Testfragen“ vor, etwa: „Stärkt die geplante Maßnahme die finanzielle Eigenverantwortung der EU-Länder?“ Er skizzierte einige der in Brüssel kursierenden Vorschläge, wie etwa die Hinterlegung valider Sicherheiten eines Staates bei der Vergabe von EU-Krediten: „Mann kann zwar nicht die Akropolis verpfänden“, so der 69-Jährige, „aber zum Beispiel zukünftige Steuereinnahmen.“

In einem weiteren Vorschlag aus Brüssel, die Einlagensicherung in der EU zu zentralisieren, sieht Zeitler ebenso die Gefahr, erneut eine der Ur-Regeln der EU zu brechen, wiederum wäre dies die nationale Eigenverantwortung bei den Finanzen. Zu deren Verfechtern gehört Zeitler, der in seinen Schlussworten die Hoffnung ausdrückte, die EU-Länder mögen mit der EZB einen Kompromiss finden, der auf eben jene Stärkung der Eigenverantwortung abziele.

In der anschließenden Podiumsrunde ließ Moderator Michael Anner, CSU Prien, die Diskussionsgäste Stellung zu unterschiedlichen Fragen rund ums Thema Geld, Zinsen und Anlage nehmen. Eingeladen waren dazu Roger Pawellek, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Traunstein-Trostberg, Mirko Gruber aus dem Vorstand der Raiffeisenbank Rosenheim-Chiemsee eG, Dietmar Dambach, ehemals Vorsitzender der Raiffeisenbank Mangfalltal-Rosenheim eG sowie der Wirtschaftsjournalist Helmut Maier-Mannhart.

Weniger Bürokratie für kleinere Banken

Dambach, gefragt nach den möglichen Auswirkungen eines Negativzinses durch die EZB, ist überzeugt: „Einseitige Geldpolitik schafft nur einseitige Veränderung“, was man an den enormen Preissteigerungen der Immobilien sehe. Er warnte vor einer „Blase“ als eine der Fehlentwicklungen dieser Geldpolitik. Er riet Sparern, mit guter Beratung Aktien-Anlagen zu tätigen. Journalist Mannhart pflichtete dem bei mit dem Hinweis, die Entscheidung, gerade jetzt noch neu ins Aktiengeschäft einzusteigen, bedürfe einer genauen Hinterfragung der eigenen Risikofreude.

Gastredner Zeitler ergänzte um das Thema Regulierung: So sprach er sich im Interesse der mittelständischen Häuser wie Sparkassen und Raiffeisenbanken, für eine „Small Banking Box“ aus (siehe „Zum Thema“ auf dieser Seite), die den Banken unter anderem ihre Anlageberatung mit weniger Bürokratie erleichtern könne. Gefragt, ob der elektronische Bitcoin das „neue Gold“ sei und in der Region Absatz finden könnte, verneinten die Gäste unisono. Während Pawellek den Bitcoin als hochriskantes Spekulationsinstrument bezeichnete, sah Gruber die Kryptowährung „medial gepusht“ und als Anlage, die stets immer Vertrauenssache sei, nicht geeignet.

In fünf Jahren keine Änderung in Sicht?

Abschließend sollten die Podiumsgäste eine Fünf-Jahres-Prognose zur Währungsunion stellen.

Zeitler zeigte sich überzeugt, dass die Wirtschaft sich leicht abschwächen werde, eine Krise aber nicht bevorstehe. „Eher macht mir die längerfristige Entwicklung, etwa in einem Zehnjahres-Zeitraum, Sorgen. Bis dahin müssen die Weichen für die EU richtig gestellt sein.“ Pawellek warnte vor „zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen“, sollten die Einzelstaaten es in einigen Jahren nicht geschafft haben, „ihren Egoismus zu relativieren.“ Spannungen etwa im Hinblick auf die ungleiche Altersvorsorge und Vermögenswerte aufgrund unterschiedlicher Chancen des Einzelnen, sein Geld zu vermehren. Mannhart sah gar den Euro selbst in Gefahr und würde Frankreich und Deutschland gerne mehr in der Pflicht sehen, dagegen anzuhalten. Gruber zeigte sich skeptisch, ob sich überhaupt viel ändern werde: „Maastricht wird auch in fünf Jahren nicht eingehalten werden.“ Positiv hielt am Ende Dambach entgegen. Bis dahin werde es Reformbewegungen in der EU geben, genauso, wie es auch den Euro dann noch geben werde.

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