inklusion

„Dieser Job ist ein riesiges Geschenk“

von Redaktion

Inklusion am Arbeitsplatz: Eine Herausforderung, die gelingen und bereichern kann. Es gehört aber auch großes Engagement vonseiten des Arbeitgebers dazu. Drei Beispiele aus der Region zeigen, wie sie Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung am Arbeitsmarkt auffangen.

Wasserburg – So stellt man sich ein typisches Café vor: Beim Betreten weht dem Besucher der Duft von frischem Kaffee in die Nase. Die Bedienung trägt gerade ein Tablett mit süßen Teilchen und milchschaumigen Cappuccinos an einen Tisch. Leise ist das Klappern von Geschirr zu hören. Das Cafesito in Wasserburg ist ein gemütliches Plätzchen zum Einkehren. Doch es ist kein ganz „normales“ Café.

Viel Geduld und deutliche Ansagen

Im Cafesito arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam. Der Integrationsbetrieb gehört zur FairJob gGmbH, einem gemeinnützigen Tochterunternehmen der Stiftung Attl. Das Ziel ist es, Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen in Arbeit zu bringen. Von den 22 Mitarbeitern im Cafesito haben acht eine Behinderung. „Sie sind nicht so belastbar, weniger selbstständig und brauchen ganz klare Strukturen“, erklärt Betriebsleiterin Evi Stadler. Für die Mitarbeiter ohne Behinderung bedeutet das: viel Geduld haben, viel erklären und deutliche Ansagen machen. Die Herausforderung für Geschäftsführer Guido Zwingler: Das Café muss, im Gegensatz etwa zu einer Behindertenwerkstätte, wirtschaftlich betrieben werden. Bei vollen Lohnkosten und fast 70 Stunden Öffnungszeit in der Woche, aber mit nicht hundertprozentig einsetzbaren Mitarbeitern.

Eine große Auswahl an Speisen und Getränken, ein Mittagstisch sowie ein Biergarten im Sommer tragen dazu bei, dass das Lokal inzwischen gut besucht ist. Doch der Anfang war schwer. „Es braucht schon einen langen Atem“, sagt Zwingler. Aber es könne funktionieren. „Es geht nicht darum, einen hohen Gewinn einzufahren“, erklärt er.

Wichtiger sei es, den Grundgedanken des Cafesito umzusetzen: Diejenigen zu integrieren, die auf dem freien Arbeitsmarkt keine Chance hätten. So wie Helena. Die Hauswirtschafterin mit leichtem Autismus arbeitet seit vergangenem Jahr im Cafesito. „Ich durfte schon Schnitzel panieren, einen Biscuitboden backen und Bestellungen aufnehmen“, erzählt sie strahlend. Am meisten Spaß mache ihr aber die Abwechslung – denn im Cafesito macht jeder alles. Das gefällt auch Dominikus. Die Möglichkeit, im Cafesito zu arbeiten, bezeichnet er als „riesen Geschenk“. Denn wegen psychischer Probleme war ihm der Druck auf dem freien Arbeitsmarkt zu groß. In einem Betrieb nur für Menschen mit Behinderung fühlte er sich aber „vom Kopf her doch zu fit“. Hier könne er seine Talente nutzen und sein Selbstbewusstsein stärken. „Ich finde das super“, sagt er. Auch in anderen Unternehmen rund um Wasserburg funktioniert die Integration von Menschen mit Behinderung. Die Firma Gronbach, ein Unternehmen für Gerätetechnik und Maschinenbau, lässt Teile in den Inntal-Werkstätten der Stiftung Attl herstellen. Außerdem gibt es einen Außenarbeitsplatz der Stiftung direkt im Betrieb. Thomas Koberstein hat geistige und motorische Einschränkungen und arbeitet inzwischen seit drei Jahren in der Fertigung von Gronbach. „Er hat sich sehr schnell bei uns eingelebt und wird weiterhin laufend betreut“, erklärt Gerhard Eder, der Leiter der Montage.

Der Mitarbeiter ist in der Vorfertigung eingesetzt und beklebt dort Kunststoffteile und Gläser mit Klebebändern oder bestückt Rollenkäfige mit Rollen. Die von ihm gefertigten Teile werden dann von Kollegen kontrolliert und weiterverarbeitet. Die Aufgaben werden auf Koberstein zugeschnitten und in für ihn überschaubare Kleinaufgaben unterteilt. Außerdem bekommt er mehrere Pausen, um den Konzentrationsabfall gering zu halten. Auch die Zusammenarbeit im Team klappt: „Thomas hat durch seine Fröhlichkeit und freundliche Art unsere Mitarbeiter schnell für sich gewonnen“, erklärt Eder.

Bei der Molkerei Bauer befinden sich unter den 650 Mitarbeitern in Wasserburg 43 Menschen mit Behinderung. Das Unternehmen setzt auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement, um Menschen, die oft schon jahrzehntelang bei Bauer arbeiten, nach Krankheit oder Unfall im Betrieb zu halten. Eine Maschine der Frischprodukteabteilung etwa wurde umgebaut, sodass ein Mitarbeiter mit Schulterproblemen sie weiter bedienen kann.

Landratsamt unterstützt Betriebe

Ein anderer Mitarbeiter konnte nach der Diagnose einer Plastik-Allergie in das Materiallager versetzt werden. Mitarbeitern mit Knie-Problemen wurden Umschulungen zum Industriekaufmann ermöglicht.

Lauter Beispiele für gelungene Inklusion am Arbeitsmarkt, finden auch die Behindertenbeauftragten des Landkreises Rosenheim, Christiane Grotz und Irene Oberst sowie Jakob Brummer von der Fachstelle Inklusion. Vor einiger Zeit haben sie bei einer von ihnen organisierten „Inklusionsfahrt“ bei Cafesito, Gronbach und Bauer Halt gemacht. 38 Teilnehmer, darunter Vertreter großer und kleiner Firmen, konnten die Betriebe besichtigen. Die Idee der regelmäßig stattfindenden Fahrten: Möglichst viele Arbeitgeber sollen sehen, wie Inklusion in der Arbeit klappen kann. „Es gibt große Vorbehalte, Menschen mit Behinderung anzustellen“, erklärt Christiane Grotz. Daher wolle man Ängste abbauen. Außerdem werde über die vielfältigen Hilfestellungen von Ämtern und dem Staat informiert. Weil das Interesse an den Inklusionsfahrten groß ist, ist auch schon die nächste Exkursion in Planung. Laut Organisator Jakob Brunner soll sie im Herbst stattfinden.

Inklusion statt Integration

Von der Integration zur Inklusion – in Bayern wurde aus dem Integrationsamt jetzt das Inklusionsamt. Der Freistaat ist damit den anderen Bundesländern einen Schritt voraus. Grund für die Umbenennung ist das Bayerische Teilhabegesetz I.

Das Inklusionsamt ist ans Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) angeschlossen und hat im Jahr 2017 Leistungen in Höhe von 50,4 Millionen Euro an die Arbeitgeber ausbezahlt, die Menschen mit Behinderung beschäftigen. Das sind rund 9,6 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Seit 2010 sind diese Zahlungen an bayerische Arbeitgeber um über 20 Millionen Euro gestiegen, so Dr. Norbert Kollmer, Präsident des ZBFS. Arbeitgeber, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen, können vom ZBFS-Inklusionsamt Zuschüsse und Darlehen erhalten.

Auch schwerbehinderte Menschen erhalten unmittelbar Unterstützung. Mit fünf Millionen Euro hat das ZBFS 2017 die Inklusion schwerbehinderter Menschen im Berufsleben direkt unterstützt.

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