Chiemgaukorn

Wo der „Bayerische Reis“ wächst

von Redaktion

Vor gut 13 Jahren auf Bio umgestellt, hat sich der Hof von Julia Reimann und ihrem Mann Stefan Schmutz in Weiding bei Trostberg zu einem Selbstläufer entwickelt. Mit Leindotteröl aus Eigenanbau begann die Erfolgsgeschichte.

Trostberg – Dann kamen das Urgetreide, der Buchweizen, die Linsen und weitere Ölsaaten dazu. Der Ölmühle, Getreidevollkornmühle und Nudelmanufaktur folgten Koch- und Backmischungen und jetzt auch noch ein Kochbuch – an Ideen und Tatkraft mangelt es den Mühleninhabern, Agraringenieurin Julia Reimann und ihrem Mann Stefan Schmutz, nicht. Sie sind bodenständig und realistisch geblieben: „Wir wollen in kleinen Schritten wachsen.“

Urgetreide und Saaten als Erfolgsbasis

Gesundes Wachstum nicht nur für den Betrieb, sondern mehr noch für die Pflanzen, ist der gebürtigen Hamburgerin wichtig. Reimann hat ihren Mann im Studium in Berlin kennengelernt. Von dessen Eltern pachteten sie den Hof im Chiemgauer Voralpenland, auf den sie mit ihm 2001 zog. „Ursprünglich waren wir nur am Getreideanbau interessiert“, erzählt sie rückblickend. Der Leinsamen beispielsweise habe damals noch keine Rolle gespielt. Doch dann habe sich die gesunde Wirkung des Leindotteröls herumgesprochen und so sei „eins zum anderen gekommen“. Aus den Hofprodukten wurde die Marke Chiemgaukorn, die Öl-Flaschen bekamen professionelle Etiketten und für die anfangs noch am Küchentisch per Hand abgefüllten Getreidesäcke – das Mehl war zuvor in einer Mühle in Siegsdorf gemahlen worden – brauchte es geeignete Räume und zusätzliche Helfer.

Regionalität wurde als Wert immer wichtiger, und so wagten sich die beiden an den Anbau von Urgetreide wie Emmer, Einkorn, Urdinkel, Buchweizen, Braunhirse und Beluga-Linsen sowie von Ölsaaten. Eigenes Mehl: „Da lag dann natürlich auch das Brotbacken auf der Hand.“ Eine Zeit lang fand sich eine Lösung in Kooperation mit einem anderen Betrieb. Die Zutaten zum Selberbacken gibt es auf dem Hof. „Aber jedes Verarbeitungsstandbein benötigt eben auch viel Zeit, und in der Landwirtschaft ist immer einiges zu tun.“

Die Chiemgaukorn-Betreiber setzen auf Nudeln sowie Koch- und Backmischungen. Bei diesen, ist Reimann wichtig, sind wenn möglich regionale und unverarbeitete Gemüse, Obst und Kräuter hinzugefügt. Seit dem 18. April ist Reimann offiziell auch anerkannte Kochbuchautorin: Im Ulmer Verlag erschien soeben ihr Buch „Kochen mit regionalem Urgetreide“. Das ist bei Weitem nicht der erste Erfolg des noch jungen Unternehmens: 2015 wurde ihr „Bayerischer Reis“ – eine Mischung aus Perl-Emmer, Perl-Einkorn und Perl-Dinkel – mit „Gold“ und das Leindotteröl mit „Silber“ beim landesweiten Wettbewerb um „Bayerns beste Bioprodukte“ ausgezeichnet. Im Jahr 2017 gab es dann „Gold“ für die „Chiemgauer Knuspertaler“ auf Buchweizenbasis.

Inzwischen haben Reimann und Schmutz Mitarbeiter. Für vieles aber sind sie nach wie vor selbst zuständig: Reimann für die Website, das Warenwirtschaftssystem, die Produktentwicklung und das Marketing. Ihr Mann kümmert sich um die Felder, die Vollkornmühle und das Abfüllen. Sie erinnert sich an die Anfänge: „Wir haben die Bioläden in der Region abgeklappert und ihnen unser Leindotteröl vorgestellt. Dann kam Richard Müller, der unbedingt regionales Mehl für den neu zu gründenden Biofair-Markt in Trostberg haben wollte. Sonst wären wir diesen Schritt wahrscheinlich nicht gegangen.“

Müller, das gehört an dieser Stelle unbedingt erwähnt, ist in der Biobranche nicht irgendwer: Der Gründer von Chiemgauer Naturfleisch ist auch Mitgründer der Basic AG, die deutschlandweit Bio-Supermärkte betreibt.

Gestärkt durch die so entstandenen Kontakte in die Bio-Szene, ging es mit Chiemgaukorn steil bergauf. Mittlerweile gibt es einen Online-Shop, der gut gehe, so Reimann. Viele weitere Geschäftskunden aus nah und fern seien hinzugekommen, und der kleine Hofladen ist jeden Freitagnachmittag sowie nach Absprache geöffnet. „Viele Kunden schätzen eben nach wie vor den persönlichen Austausch.“ Vielleicht zieht sie aber auch die malerische Umgebung an, denn der Hof liegt abseits der großen Verkehrswege im hügeligen Voralpenland, und der Blick in die Voralpenkette entschädigt für manch weitere Anfahrt.

Kunden halten Treue trotz Rückrufaktion

Dass eine gute Kundenkommunikation gerade dann besonders wichtig ist, wenn einmal etwas nicht glatt läuft, davon können die Hofbetreiber ein Lied singen. So musste im vergangenen Jahr Roggenmehl zurückgerufen werden. Schuld waren toxische Stoffwechselprodukte, die aus Mutterkorn stammenden Ergotalkaloide, die in Proben gefunden worden waren. Der Großteil der Kunden habe mit Verständnis und sogar mit großer Solidarität den beiden Landwirten gegenüber reagiert, erzählen sie. Reimann erklärt sich das damit, dass Chiemgaukorn für seine Kunden sehr transparent arbeite, etwa, was die Lebensmittelproduktion angehe: „Ohne unsere Kunden könnten wir unsere Ideen nicht umsetzen. Nur so können wir einen Beitrag dafür leisten, dass die Vielfalt auf dem Feld und auf dem Teller bewahrt wird.“

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