Rosenheim/Garmisch-Partenkirchen – Wie gestern berichtet, hatten die Rosenheimer Wirtschaftsjunioren mit Rosi Mittermaier und Christian Neureuther zwei seltene Podiums-Gäste nach Rosenheim geholt, die aus ihrer Zeit im Skirennsport berichteten. Doch wie hat es das Paar geschafft, auch nach dem lang zurück liegenden Ende der aktiven Athletenkarriere – Mittermaier beendete diese 1976, Neureuther 1981 – in der Öffentlichkeit zu bleiben? Und vor allem, eine Karriere nach der Karriere aufzubauen? Christian Neureuther erzählt im OVB-Gespräch offen von beruflichen Meilensteinen und versenkten Investments.
Herr Neureuther, womit haben Sie nach dem Ende Ihrer Karriere als Spitzensportler Ihr Geld verdient? Es war nicht so, dass Sie bereits als Skirennläufer gut verdient hatten…
Damals durfte man als Athlet mit dem Sport kein Geld verdienen, das stimmt. Wir mussten uns also erst nach der Karriere unsere Lebensgrundlage schaffen. Alles, was wir dazu unternommen haben, haben Rosi und ich gemeinsam, sozusagen als Familienprojekt gemanagt. Es war mir früh klar, dass wir als Paar eine Sonderstellung erreichen konnten. Ende der 1970er-Jahre war es noch ein Novum, sich als Sportler zu vermarkten und es gab nur ganz wenige Vorbilder. Die Agentur IMG, heute führend in der Vermarktung im Sport, hatte große Sportler wie Björn Borg oder Jacky Steward unter Vertrag und wollten unbedingt auch Rosi. Der Wunsch war sogar, dass Rosi aus steuerlichen Gründen nach Monacco hätte ziehen sollen, aber sie wollte Bayern nie verlassen. Das war der Beginn ihrer Laufbahn als Markenbotschafterin, sie war nach 1976 fast 300 Tage im Jahr in der ganzen Welt als Botschafterin für die verschiedensten Sportmarken wie Braun, Fritzmeier oder Opel unterwegs. Ich war Ansprechpartner für IMG in Deutschland und habe dadurch viel gelernt, deshalb haben wir uns zwei Jahre später gefragt, weshalb wir 25 Prozent der Honorare an IMG abgeben sollten. Danach haben wir unsere Projekte selbstständig weiter entwickelt.
Welche Erfahrung von damals hat sie besonders geprägt?
Vor allem die Erkenntnis, dass man nur für Produkte werben sollte, mit denen man sich wirklich identifiziert. Rosi hat zum Beispiel einmal einen Vertrag mit einem Kosmetikunternehmen geschlossen und dann leider festgestellt, dass die damit verbundenen Tätigkeiten als Werbefigur und die Produkte selbst einfach nicht liegen. Der Vertrag wurde aufgelöst. Später haben wir die Kampagne „Deutschland walkt“ mit der AOK und mit Becel initiiert, und das war genau unser Ding: Wir konnten Menschen für Bewegung begeistern und dafür, in der Natur zu sein. Zwei Themen, die wir mit Leidenschaft vertreten. Die Kampagne wurde ein Riesenerfolg, an den wir anknüpfen konnten, etwa mit eigenen Büchern.
In der Öffentlichkeit stand als Werbefigur hauptsächlich Ihre Frau. Hat sie sich je als Geschäftsfrau oder Unternehmerin gesehen?
Nein, überhaupt nicht! Sie ist das komplette Gegenteil davon. Das Unternehmerische interessiert Rosi überhaupt nicht, sie ist ein Kind der Natur und ist am glücklichsten, wenn sie zum Beispiel bei sich zu Hause auf der Winklmoosalm Pilze suchen kann. Doch sie war nach dem Ende ihrer Sportlerkarriere mit 25 Jahren erst einmal gezwungen, sich auch eine Lebensexistenz zu schaffen. Für sie war das die schwerste Entscheidung ihres Lebens, denn eigentlich war sie ja mit Leib und Seele Skifahrerin. IMG hat dann sehr professionell die Vermarktungschancen genutzt, aber eben nur etwa zwei Jahre. Danach haben wir uns alles selbstständig erarbeitet.
Wie haben Sie sich das Know-how dafür erarbeitet?
Auch schon zu unserer aktiven Zeit in den 1970er-Jahren war der Alpine Skisport für die vielen werbetreibenden Firmen höchst interessant. Wir hatten mit führenden Werbeagenturen wie etwa Sportive Schwaiger zu tun. Für deren Geschäftsfelder habe ich mich immer interessiert. Den tiefsten Einblick bekam ich aber bei IMG. Der damalige Geschäftsführer Ian Todd sagte immer: Wir müssen es schaffen, dass Rosi in zehn Jahren mehr verdient als heute. Als Marke musst du immer präsent sein, darfst nie uninteressant werden. Vitali Klitschko hat es mal auf den Punkt gebracht: Sportler müssen schon während ihrer aktiven Zeit daran denken, wie es nach der Karriere weiter geht. Aus diesem Grund ist eine duale Ausbildung, wie sie die Sporthilfe ermöglicht, so wichtig. Leider sieht man in unserer extrem medial geprägten Welt aber auch, wie schnell und tief der Fall sein kann, wenn man keinen Plan B nach dem Sport hat. Ich denke da an Jan Ulrich. Was ihm passiert, stimmt mich sehr traurig.
Geld ist das Eine, aber braucht der Athlet die „Karriere nach der Karriere“ auch aus psychologischen Gründen?
Ganz sicher! Man ist als Spitzensportler täglich in den Medien und wird von seinem Team und Umfeld optimal „gepampert“. Sowie man aber die Sporttribüne verlassen hat, hört das mit einem Schlag auf. Das ist für viele hart. Da ist es wichtig, für das „Leben danach“ gerüstet zu sein. Gott sei Dank gibt es viele Möglichkeiten, man muss sie nur anpacken. Am Beispiel unseres Sohnes Felix kann ich aber auch sagen, dass etwa der Alpine Skirennsport ihn dermaßen auslastet, dass er parallel gar nicht studieren könnte. Positiv ist, dass inzwischen auch immer mehr Unternehmen aus der Sportbranche Athleten Berufsperspektiven bieten. Interessant ist, dass dabei diejenigen am besten performen, die nicht unbedingt die Superstars waren. Meine Vermutung ist, dass man später umso erfolgreicher sein kann, wenn man im Sport nicht schon alles erreicht hat.
Was war Ihr persönlicher Meilenstein, nachdem Sie 1981 die aktive Zeit beendet haben?
Mein Engagement in der TV-Sendung „Dalli Dalli“. Das war damals das bekannteste deutsche Fernsehformat mit rund 30 Millionen Zuschauern. Jeden Monat durfte ich mit anderen, interessanten Gästen in einer großen TV-Show auftreten, das war sehr aufregend. Da kam auch wieder der psychologische Aspekt zum Tragen, denn im Gegensatz zu Rosi, habe ich die damit verbundene Öffentlichkeit schon genossen.
Gab es auch Reinfälle, falsche Entscheidungen?
Natürlich habe ich Fehler gemacht. Aus denen habe ich viel gelernt. 1980 hat man mich als ahnungslosen Sportler überredet, mich an einer US-Textilfirma zu beteiligen. Ich habe damals mit 100 000 D-Mark gebürgt. Die waren danach weg. Das war sicher meine größte Niederlage. Ich habe gelernt, dass man die Finger von Sachen lassen soll, die man nicht beherrscht! Von betriebswirtschaftlichen und juristischen Zusammenhängen hatte ich damals noch keine Ahnung. Zwei Jahre später haben sich Rosi und ich an der Firma Erbacher beteiligt. Das war die richtige Entscheidung, weil ich einen anderen Verantwortungsbereich hatte und weil ich die richtigen Menschen an meiner Seite hatte.
Welche Pläne haben Sie für die nächste Zeit?
Persönlich beschäftigen mich die Veränderungen, die durch die künstliche Intelligenz auf uns zukommen. Das hängt sicher auch mit unseren Enkeln zusammen. Ich glaube, dass aufgrund der aufkommenden Unsicherheiten und den unvorhersehbaren Arbeitsverhältnissen die Bewegung, die Natur und die sozialen Kontakte eine neue und größere Bedeutung haben. Ich sitze im Aufsichtsrat der Zugspitzbahn, da sehe ich an den Zahlen, wie sehr diese Bewegung an Kraft gewonnen hat. Die Menschen wollen raus und drängen in die Berge. Das ist gut, andererseits stellt sich damit die Frage, wie man den Ansturm nachhaltig gestalten kann. In diesem Themenbereich sehe ich spannende Gesundheits- und Bewegungskonzepte, besonders für Kinder, die heute die Bewegung mehr denn je brauchen. Interview: Elisabeth Sennhenn