von Redaktion

Zunehmend macht der Online-Handel dem Einzelhandel Konkurrenz. Aussterbende Innenstädte zeugen davon. Die Digitalisierung als Chance nutzen will das „Zukunftsforum Handel“ der IHK Mühldorf mit drei Vorträgen zu dem Thema.

Benjamin Becker von BB Sport GmbH & Co. KG, TögingFotos sn

Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Bayern e.V.

Offline verkaufen, online bestehen

Mühldorf – Der stationäre Einzelhandel befindet sich im Umbruch. Einzelne Branchen erzielen bereits bis zu 35 Prozent ihrer Umsätze im Internet. Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Bayern e.V., beleuchtete dieses Thema im Rahmen des „Zukunftsforums Handel“, der kürzlich in der IHK-Geschäftsstelle in Mühldorf stattfand, näher. Puff hob die Bedeutung der 300000 Einzelhandelsunternehmen bundesweit mit insgesamt 513,3 Milliarden Euro Jahresumsatz hervor. Das Online-Volumen nach Branchen betrachtet, zeige den Löwenanteil mit 25,1 Prozent bei Mode und Accessoires, gefolgt von 24,9 Prozent im Bereich Elektronik. Freizeit und Hobby hätten einen Anteil von 14,5 Prozent, Wohnen und Einrichten 9,2 Prozent.

Dabei seien von den Top Ten Online-Shops in Deutschland nur drei umsatzstark: Amazon, Otto und Zalando, wobei an Amazon als Marktgröße mit 8,1 Milliarden Euro niemand vorbeikomme. Otto habe im Vergleich dazu zuletzt einen Jahresumsatz von 2,7 Milliarden Euro im Onlinehandel verzeichnet.

Es sei der Kunde, der sich verändert habe, so Puff. „Es stirbt nicht der traditionelle Handel, vielmehr stirbt der traditionelle Handelskäufer“, so Wolfgang Puff.

Mitarbeiter als Markenbotschafter

Die Zukunft für den Handel sei der „selektive Online-Shopper“, mit Einschränkungen der „begeisterte Online-Shopper“. Die Onlinekäufer zögen sich durch alle Altersgruppen: Mit 26,8 Millionen Euro Kaufvolumen setze die Gruppe der 30- bis 59-Jährigen am meisten im Internet um. „Insgesamt ist der Kunde bequemer und anspruchsvoller geworden.“ Vor allem die Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von über 3000 Euro sind laut Puff immer online-affiner beim Einkaufen: 2017 legte ihr Anteil gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent zu.

Der Handelsverbandsvertreter weiß: Die größte Begleiterscheinung der positiven Entwicklung des Onlineshoppings ist die Veränderung der Innenstädte. „Toplagen bleiben top. Mittellagen geraten verstärkt unter Druck. Im ländlichen Raum besteht Handlungsbedarf.“ Seine Empfehlung an die Einzelhändler: „Lernern vom Onlinehandel“, zum Beispiel was Kundenbindung und Kommunikation betreffe („Eine Homepage muss sein“) und die Nutzung neuer, technischer Möglichkeiten wie kostenfreies WLAN für Kunden.

„Im Mittelpunkt steht aber der Mitarbeiter.“ Auf ihn kämen steigende Anforderungen zu. So sollte er unter anderem „Markenbotschafter“ sein und digitale Kompetenz entwickeln. „Er ist Produkt-, Kunden- und Kommunikationsexperte“, so Puff. 86 Prozent der Händler hätten hier Schulungsbedarf, nur 25 Prozent böten ihren Mitarbeitern Weiterbildungen an.

„Langfristig“, schloss Puff, „werden diejenigen Händler erfolgreich sein, die ihre Kunden über verschiedene Kanäle erreichen, auch wenn sie nicht über diese Kanäle verkaufen.“

Zwei Unternehmer, die „sich erfolgreich in diesem Haifischbecken tummeln“ stellte Mühldorfs IHK-Geschäftsstellenleiter Herbert Prost beim „Zukunftsforum Handel“ vor.

Erfolgreich handeln von der Garage aus

Benjamin Becker, BB Sport GmbH & Co. KG in Töging, hat sein Unternehmen „aus der Garage heraus“ aufgebaut. Heute beschäftigt er 45 Mitarbeiter. Der Schwerpunkt von BB Sport liegt auf dem Verkauf von Kletterausrüstung, Fitnessgeräten, Sportmatten und Outdoor-Artikeln. Als begeisterter Kletterer hat er einst mit der Produktion von Klettergriffen angefangen. 2005 folgte der erste Online-Verkauf. Bis 2009 verkaufte er Klettergriffe von der elterlichen Garage in Neumarkt- St. Veit aus. Weil es für stationären Handel keine Möglichkeit gab, verkaufte er über Ebay und die eigene Website. 2010 hat Becker die Werkstatt aufgegeben und importiert seitdem die Ware aus dem Ausland. Er erweiterte seinen Webshop und stellte dann um auf selbst entwickelte Artikel, die in Asien hergestellt werden.

Den Gästen des „Zukunftsforums Handel“ gab Becker Einblicke in die Geschäftsmodalitäten bei Amazon. „Der Einstieg in den Handel über die Plattform ist extrem einfach und interessant bei Nischenprodukten.“ Becker verglich Amazon mit Ebay, Google und Social Media-Kanäle wie Facebook miteinander. „Der Vorteil bei Ebay ist, dass man den Artikel individuell platzieren kann und keine Suchmaschinen gegeneinander kämpfen.“ Um Google effizient zu nutzen, bräuchte man eine eigene Website und einen gewissen Bekanntheitsgrad. Mit Facebook schließlich könne man teils „mehr Leute erreichen als mit einem Fernsehspot“.

Auch Andreas Seidinger von der AST Media Event GmbH aus Jettenbach beschrieb seinen Aufstieg bei Amazon. Aus der Veranstaltungstechnik kommend, vertreibt er heute Kunstpflanzen über seinen Onlineshop: „Es hat ein Jahr gedauert, bis das Geschäft anlief.“ Amazon habe ihm daraufhin Know-how vermittelt, wie er sich besser platzieren könne. Dadurch habe er Kunden wie Aida Kreuzfahrtschiffe gewonnen, erzählte Seidinger. Sein Fazit der Erfahrungen aus der Welt des Onlinehandels: „Wir müssen täglich investieren, um gegen Kontrahenten zu bestehen.“

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