Firmengeflecht

Cohu in Rosenheim: 200 Stellen weg

von Redaktion

Gab es bislang von Cohu keine Stellungnahme zu den Veränderungen am Standort, richtet nun der Betriebsrat einen Appell an die Mitarbeiter: „Unterstützt uns und reicht Vorschläge zur Sicherung der Arbeitsplätze ein!“ Denn 200 Stellen werden gestrichen.

Rosenheim – Schlechte Nachrichten für den ehemaligen Multitest-Standort in Rosenheim, der seit Kurzem zum internationalen US-Konzern Cohu gehört: Von den rund 400 Stellen fallen kurz- bis mittelfristig 200 Arbeitsplätze weg. Das wurde den Mitarbeitern gestern im Rahmen einer Betriebsversammlung durch die neue Geschäftsführung um Ian van Fellenberg mitgeteilt. „Es sieht nicht gerade rosig aus“, so ein Mitarbeiter vorm Werkstor gestern zu den OVB-Heimatzeitungen.

Arbeitgeber bleibt Multitest GmbH

Interne Quellen berichten, ein Anwalt des Betriebsrats sei ebenfalls vor Ort gewesen. Dieser habe gegenüber der Geschäftsführung angemahnt, der Abbau betreffe nicht nur 200 Mitarbeiter, sondern auch deren Familien und damit 600 bis 800 Menschen aus der Region. Weiter kursieren Gerüchte, der Standort in der Oberaustraße solle über kurz oder lang ganz geschlossen werden.

„Es wurde mitgeteilt, dass die Geschäftsleitung plant, 200 Stellen abzubauen“, bestätigt Betriebsratsvorsitzender Michael Gabriel gegenüber unserer Zeitung. Von einer Standortschließung sei bei der Versammlung gestern aber nicht die Rede gewesen, betont er. „Es gibt Zukunftspläne mit der verbleibenden Belegschaft; zum Beispiel sollen neue Produkte entwickelt werden.“ Auch wurde gestern klar: Die Firma Multitest elektronische Systeme GmbH gibt es weiterhin – jedoch nicht deren bisherige, oberste Führungsriege –, sie ist laut Gabriel auch nach dem Kauf durch Cohu der offizielle Arbeitgeber der Beschäftigten. Das erklärt, weshalb noch immer das Multitest-Schild überm Firmeneingang in der Oberaustraße hängt und bislang nicht durch das Cohu-Emblem ersetzt wurde. Allerdings weht dort nun auch eine US-Flagge.

„Wir stehen am Beginn der Verhandlungen, es ist aber noch zu früh, von einem Sozialplan zu sprechen“, erklärt Betriebsratschef Gabriel. Dazu fehlten noch relevante Informationen. Die „Marschrichtung“ sei aber klar. „Wir haben rechtlich die Möglichkeit mitzuwirken und wollen davon auch Gebrauch machen. In diesem Zuge hat der Betriebsrat die Belegschaft um Unterstützung gebeten: Die Mitarbeiter sollen auch Vorschläge zur Beschäftigungssicherung einreichen“, appelliert Gabriel an die Kollegen. Man sei sich bewusst, dass das ein „eher langwieriger Prozess“ sein werde – „vielleicht ist das auch gut so, denn eine schnelle Lösung würde nicht allen Beschäftigten gerecht werden.“

Mitarbeiter teils nach Kolbermoor

Die neue Geschäftsführung plant, wie die OVB-Heimatzeitungen weiter erfahren haben, die verbleibenden Mitarbeiter am Cohu-Standort in Kolbermoor (vormals Rasco) unterzubringen. Dort soll ein Neubau entstehen. Fest steht: Davon und vom Stellenabbau betroffen sind alle Berufsgruppen, darunter viele hoch qualifizierte Mitarbeiter, etwa viele Ingenieure. Die Belegschaft ist geprägt von zahlreichen langjährigen Beschäftigten, die über entsprechend weitreichende Praxiserfahrungen verfügen.

Das ist auch der Punkt, der Rosenheims Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl ärgert: „Ich sehe den Aufkauf inländischer Firmen samt des dort gebundenen, technologischen Know-hows durch ausländische Investoren durchaus kritisch.“ Dies umso mehr, wenn es um sicherheitsrelevantes Wissen gehe.

Vom Stellenabbau habe man nichts gewusst, jedoch seien Unternehmen auch in keinster Weise verpflichtet, die Kommune am Standort über derartige Veränderungen zu informieren. „Da sind wir auf das Wohlwollen der Firmen angewiesen.“

Unter den ehemals 24 Multitest-Standorten weltweit war der Rosenheimer in seiner Branche führend und galt stets als zuverlässiger Partner der internationalen Halbleiterindustrie: Bis heute werden dort Maschinen und Zubehör für den Test von Halbleitern hergestellt; namhafte Kunden zählen zu den Referenzen. Inzwischen reiht sich Multitest ein in eine Reihe von Firmennamen, die sich Cohu im Zuge einer regelrechten Einkaufsoffensive einverleibt hat (siehe Infokasten).

Unklar ist, ob wirklich alle verbleibenden Arbeitsplätze von Cohu in Kolbermoor aufgefangen werden können. Der Standort gehört seit 2008 zur Cohu-Gruppe. Etwa 150 Mitarbeiter, Auszubildende und Studenten sind in Entwicklung, Fertigung und Vertrieb hochkomplexer Handhabungsautomaten für elektronische Bauteile tätig. Cohu gehört zu den weltweit führenden Lieferanten der Halbleiterbranche in Europa, Asien und den USA.

Wusste sie vom geplanten Abbau?

Auf eine Anfrage der OVB-Heimatzeitungen hin hieß es gestern zunächst von der Agentur für Arbeit, man wisse nichts von einem Stellenabbau bei Cohu. Der Betriebsrat des Unternehmens bestätigte jedoch, die Agentur sei bereits vor einiger Zeit am Standort gewesen und habe sich über anstehende Änderungen informiert. Dazu und ob Näheres mit dem Unternehmen besprochen worden sei, gab es von der Agentur keine Auskunft – unter Berufung auf den Datenschutz.

LTX, Cohu, XCerra

Cohu hat sie alle in kurzer Zeit „geschluckt“: Die in der Halbleiterbranche tätigen Firmen LTX Credence, Multitest und XCerra sind neben Rasco inzwischen Tochterfirmen des US-Konzerns. Ein Name zieht sich durch diese Historie: David Tacelli. Das heutige Mitglied im Cohu-Management war zuvor Geschäftsführer der deutschen LTX GmbH, die einen Standort in Unterföhring unterhält, sowie bei XCerra.

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