Flintsbach/Reischenhart – Die EU-Verkehrsminister haben sich darauf geeinigt, dass innerhalb Europas bessere Sozialstandards für Lkw-Fahrer gelten sollen. Unter anderem soll ihnen ein einheitlicher Lohn gezahlt werden, die regelmäßige Ruhezeit darf nicht mehr in den Führerhäusern verbracht werden. Maximal vier Wochen am Stück sollen die Kraftfahrer in der EU unterwegs sein.
„Noch ist nichts entschieden – erst einmal müssen die Vorschläge von der EU-Kommission abgesegnet werden und den EU-Rat erfolgreich passieren“, warnt Georg Dettendorfer, Vorsitzender des DIHK-Verkehrsausschusses, vor zu schneller Euphorie. Wie lange es dauern wird, bis die Verbesserungen für den Alltag von Lkw-Fahrern in der Praxis umgesetzt werden, könne aktuell niemand sagen.
Dass sich zumindest für deutsche Brummi-Fahrer die Arbeitsbedingungen inzwischen gravierend geändert haben, zeigt das Beispiel zweier Trucker, mit denen die OVB-Heimatzeitungen gesprochen haben. Angetroffen wurden sie auf einer großen Lkw-Parkfläche in Reischenhart an der A93; beide wollen anonym bleiben.
Bis vor sechs Jahren, erzählte etwa ein 60 Jahre alter Familienvater, sei er noch täglich 600 Kilometer gefahren. Drei Jahrzehnte lang sitzt er schon beruflich hinterm Steuer. „Heute habe ich eine geregelte 40-Stunden-Woche, muss nur noch an die 200 Kilometer am Tag fahren“, erzählt der Fahrer, der in ganz Deutschland für Betriebe Altöl entsorgt. Jetzt habe er jeden zweiten Freitag frei – ein langes Wochenende, das sei, als er noch regelmäßig nach Italien fuhr, Luxus gewesen. „Die Situation ist heute viel besser. Finanziell war die Arbeit im Fernverkehr unter aller Kanone, der Druck immens.“
Seit 1977 ist sein Berufskollege im Fernverkehr unterwegs. Mit seiner Sattelzugmaschine fährt er auch heute noch täglich 400 bis 600 Kilometer durch ganz Europa: „Früher waren es auch mal 700.“ Zwei Wochen am Stück ist er weg von daheim, erzählt er.
Das wäre noch im Rahmen der neuen Minister-Forderungen. Dettendorfer, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition in Flintsbach, hält die Pläne der EU-Minister im Moment noch für Spekulation, viele davon aber für sinnvoll. Etwa gleiche Löhne für Fahrer aus allen EU-Staaten: „Dann hätte das Problem der ungleichen Entlohnung für gleiche Arbeit in der Branche ein Ende.“ Gut fände er, die Gesamtfahrzeit zu begrenzen: „Es sind ausländische Fahrer auf unseren Straßen unterwegs, die teilweise drei bis vier Monate am Stück nicht nach Hause kommen.“ Prinzipiell sei es inakzeptabel, dass viele von ihnen praktisch in den Kabinen lebten. Aber nun planten die Verkehrspolitiker, dass auch die vorgeschriebene Wochenruhezeit von 45 Stunden nicht mehr im Fahrzeug verbracht werden dürfe. „Wo sollen sie sich in dieser Zeit sonst aufhalten? Es mangelt an Lkw-Parkflächen und geeigneten Unterkünften. Zudem schreiben uns Kunden oft vor, dass die Ware nicht unbeaufsichtigt sein darf“, so Dettendorfer. Wer solle für die Kosten aufkommen, wenn ein Fahrer etwa ein Hotelzimmer buchen müsse? „Die Spediteure würden die Mehrbelastung auf die Kunden umlegen. Das verteuert über kurz oder lang die Verbraucherpreise für die transportierten Waren.“
Flexibles Arbeiten für Fahrer
Was er begrüßen würde: eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten der Fahrer in vertretbarem Rahmen. Um ihnen zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und den Job wieder attraktiver zu machen – denn zuverlässige Fahrer sind dringend gesucht. Flexibler wäre er zum Beispiel, wenn er an zwei Wochenenden hintereinander die verkürzte Ruhepause von je 24 Stunden in Anspruch nehmen könnte, und die 45-Stunden-Pause dann in Woche drei. Oder wenn Zeitkontingente so genutzt werden könnten, „dass ein Fahrer, der nur noch von Ingolstadt nach Rosenheim fahren müsste, auch noch nach Hause kommt, wenn die Zahl der Wochenstunden erreicht ist.“ Dann könnte er sich die relevante Stunde aus dem Kontingent der nächsten Woche nehmen. „Ich bin für einheitliche Neuerungen, solange sie Fahrer und Unternehmen nutzen und einen Bürokratieabbau bringen“, ist Dettendorfers Fazit zum Stand der Dinge.