„Wohnungsnot verstärkt das Problem“

von Redaktion

Der Vermieter kündigt, weil er selbst die Wohnung nutzen will: Der zunehmende Eigenbedarf, der Mieter verdrängt, war bislang eher ein Problem der Großstadt, greift aber langsam auf die Region über – mit weniger dramatischen Folgen.

Rosenheim/Burghausen– Kündigung wegen Eigenbedarfs: Laut Deutschem Mieterbund der häufigste Grund, aus dem Mieter ihre Wohnung verlassen müssen. Auch in Bayern. Der knappe bezahlbare Wohnraum in Groß- wie Kleinstädten stellt betroffene Mieter dabei vor große Probleme.

Diese kennt auch Jörg Eschenfelder aus seiner Arbeit für den Mieterschutzverein Burghausen und Umgebung e.V. Den Ersten Vorsitzenden beschäftigt derzeit etwa ein Härtefall aus dem Kreis Mühldorf, wo eine schwer kranke Frau aus ihrer Wohnung soll, darüber depressiv und sogar selbstmordgefährdet geworden sei.

Kündigung erst

mal genau prüfen

Er betont aber auch, dass so etwas im Zuständigkeitsbereich des Vereins – Mühldorf, Altötting, Passau und Traunstein – die Ausnahme sei: „Noch.“ Es seien eher Mieterhöhungen um bis zu 20 Prozent, die vor allem ältere Mieter arg träfen. Überhaupt stelle man fest, dass Kündigungen häufig dann ausgesprochen würden, wenn der Wunsch nach höheren Mieteinnahmen nach langer Preisstabilität aufkomme: „Oftmals besteht hier der Verdacht des vorgetäuschten Eigenbedarfs.“ Was der Verein darüber hinaus beobachtet: „Eigenbedarfskündigungen kommen eher vor, wenn das Mietverhältnis belastet ist und der Vermieter den Mieter loswerden möchte.“

Eschenfelder sagt, Mieter könnten zunächst Widerspruch gegen die Kündigung einlegen, „wenn sie trotz ernsthafter und intensiver Suche keine geeignete Ersatzwohnung finden.“ Oder wenn andere Gründe einen Umzug unzumutbar machten. Etwa hohes Alter, sehr lange Mietdauer, Verwurzelung in dem Wohnumfeld oder eine ernste, gesundheitliche Belastung. „Mieter sollten unbedingt prüfen, ob der Eigenbedarf tatsächlich vorliegt oder nur vorgetäuscht wird; dies kann unter Umständen im Nachgang zu erheblichen Schadensersatzforderungen führen und für den ehemaligen Vermieter sehr teuer werden.“ Außerdem könnte es sein, dass die Kündigung unwirksam ist, weil sie zum Beispiel nicht ausreichend begründet wird. Das heißt, im Kündigungsschreiben muss der Vermieter darlegen, dass ein echter Eigenbedarf besteht. Etwa, weil er selbst Nachwuchs bekommt und mehr Platz braucht oder das eigene Kind in der Nähe arbeiten wird und die Wohnung benötigt.

Aber nicht nur Mieter, sondern auch Vermieter suchen Rat bei Fachleuten. Etwa dem Haus- und Grundbesitzerverein für Rosenheim und Umgebung. Laut dessen Vorsitzendem, dem Rechtsanwalt Helmut Kolb, haben allein im ersten Halbjahr 2019 rund 30 Mitglieder aus Stadt und Landkreis eine Beratung zum Thema Eigenbedarfskündigung gesucht. 2018 waren es insgesamt 70. Sie seien gekommen, so Kolb, um alles richtig zu machen: „Sie haben tatsächlich einen begründeten Eigenbedarf.“

Klagen wollen

die wenigsten

Fälle wie solche, wo einer 80-Jährigen herzlos die Unterkunft gekündigt wird oder eine mehrköpfige Familie eiskalt vor die Tür gesetzt wird, seien ihm auch in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt noch nicht untergekommen, sagt er: „Man darf das nicht mit den vielen Modernisierungskündigungen verwechseln, die sich vornehmlich in Großstädten abspielen.“

Müsse etwa eine kinderreiche Familie raus aus der Wohnung, gäben regionale Vermieter auch mal mehr Zeit zum Auszug, als sie müssten. 2018 habe es nur zehn Räumungsklagen gegeben. Die meisten Eigentümer seien nicht auf Streit aus „und schon gar nicht darauf, vor Gericht zu ziehen.“ Müssten sie das doch, weil Mieter sich gegen die begründete Kündigung sperrten, hätten sie gute Erfolgsaussichten.

Kolb sagt, das Thema müsste die Gemüter gar nicht so erhitzen, wäre einfach nur ausreichend Wohnraum für alle da: „Wenn ein Vermieter selbst seine Wohnung nutzen will, verschärft der Bedarf nach neuem Wohnraum für die bisherigen Mieter ja die angespannte Lage am Wohnungsmarkt.“

Wer lange Mieter war, hat auch lange Zeit zum Auszug

Eigenbedarf muss begründet sein.

Begünstigte bei Eigenbedarfskündigungen sind in der Regel enge Familienangehörige des Vermieters, deretwegen Eigenbedarf ein Kündigungsgrund sein kann. Etwa Eltern oder Kinder des Vermieters, Enkel oder Geschwister. Bei entfernteren Verwandten wird es schon schwieriger, Eigenbedarf durchzusetzen.

Welche Kündigungsfristen gelten?

Hat der Mieter weniger als fünf Jahre in der Wohnung gelebt, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate. Bei einer Wohndauer von fünf bis acht Jahren sind es sechs Monate, die ein Vermieter gewähren muss. Besteht der Mietvertrag seit mehr als acht Jahren, gilt eine Kündigungsfrist von neun Monaten.

Wie lange dauern Räumungsklagen?

Vermieter können Eigenbedarf gerichtlich durchsetzen, wenn ihre Kündigung ordnungsgemäß erfolgt ist, der Mieter aber nicht auszieht. Oder dieser nicht begründeten oder unwirksamen Widerspruch einlegt. Meist dauern die Verfahren zwischen sechs und zwölf Monaten, teils bis zu zwei Jahren.

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