Keine Seltenheit: Warten auf Handwerker

von Redaktion

Warten auf den Handwerker – auch in der Region nichts Neues. Die Betriebe sehen einen Schuldigen in gesetzlichen Auflagen, die zu viel Zeit fressen. Zeit, die sie lieber ihren Kunden widmen würden. Eine Mitschuld trägt ihrer Ansicht nach auch die EZB-Zinspolitik.

Martin Kaffl mit Betrieb in Bad Feilnbach, ist Obermeister der Elektro-Innung.

Thomas Pichler aus Raubling, Obermeister der Zimmerer-Innung Rosenheim.

Rosenheim–DerBoden muss neu verlegt werden, die Toilettenspülung ist defekt, das Metallgeländer für die Treppe noch nicht angebracht – denn der Handwerker lässt auf sich warten. In Bayern dauert es im Schnitt 10,7 Wochen, bis er kommt. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Unsere Zeitung hat mit einigen Innungen aus Rosenheim über das Problem gesprochen.

Sanitär, Heizung, Klima: Es wird noch schlimmer

Die Betriebe der SHK-Innung Rosenheim, sie stehen für die Bereiche Sanitär, Heizung und Klimatechnik, haben laut Obermeister Gerhard Hardrath gerade „zweifelsohne viel zu tun“. Denn es werde viel gebaut und saniert, schließlich sei das Geld auf der Bank nichts wert –da steckten es Eigentümer lieber in ihre Immobilie. Es folgt: ein Auftragsstau. Auf der anderen Seite lähmten aber Auflagen, Dokumentationspflichten und Papierkram die Betriebe zunehmend in ihrer Leistungsfähigkeit. Etwa, wenn es um Förderungen gehe: „War sich früher der Bauherr mit der Bank einig, konnte der Bau losgehen. Heute sitzen Energieberater, Steuerberater, Banker, Heizungsbauer, Architekt, Statiker und KfW-Fachmann mit am Tisch, damit das Bauvorhaben rechtskonform ausgeführt wird“, zählt Hardrath auf. Dazu kämen die Zeitprobleme, verursacht durch moderne Technik: Ein Kundendiensttechniker schaffe wegen wachsender Dokumentationspflichten, etwa an einer modernen Heizungsanlage, nur noch die Hälfte der Kunden während seiner Dienstzeit als noch vor ein paar Jahren. Der Innungs-Obermeister warnt: „Die Wartezeit für die Auftraggeber wird sich noch verschärfen.“ Sein eigener Betrieb aus Bruckmühl könne aktuell keine neuen Kunden aufnehmen, „da wir keine Gesellen bekommen.“ Denn rund 50 Prozent der im Handwerk ausgebildeten Gesellen wanderten bis zum 30. Lebensjahr ab – in den Vertrieb, zu Kommunen oder in die Industrie. Oft, weil dort höhere Löhne gezahlt würden und die Arbeit leichter sei. Hardraths Meinung nach werden Preissteigerungen in Zukunft unvermeidbar sein, die Wartezeiten sich aus den genannten Gründen weiter verschlimmern.

Zimmerer und Schreiner: Auslastung bis zu sechs Monaten

„Die Baubranche hat eine sehr gute Auftragslage und die Betriebe haben teilweise eine Auslastung von einem halben Jahr und mehr“, schildert Thomas Pichler, Obermeister der Rosenheimer Zimmerer-Innung, die Lage in seinem Gewerbe. Kleinere Aufträge würden meist zwischendurch eingeschoben. Pichler beobachtet zwei Phänomene, die für einen Auftragsstau sorgen können: Den Boom im Holzbau, bei dem es keine „Ware von der Stange“ gebe und der viel Zeit beim einzelnen Kunden erfordere und dann an anderer Stelle fehle, und den Trend zur Investition in Sanierung. Gebäudesanierung werde immer umfangreicher und zeitaufwendiger: Zum einen stiegen die Qualitätsansprüche der Kunden, zum anderen werde auch hier ohne Standardlösungen stark objektbezogen gearbeitet. Wie fast alle Innungen litten die Zimmerer zudem unter dem Fachkräftemangel und der Abwanderung von Gesellen.

Positiv: Die Kunden hätten Verständnis für die Nöte seines Handwerks, berichtet der Zimmerermeister. Und zieht eine Parallele zur Autoindustrie: „Da nehmen Käufer auch hin, dass sie ein halbes Jahr auf ihren bestellten Neuwagen warten müssen.“

Aktuell melde ein Großteil der Betriebe nicht nur eine gute Auftragslage, „sie ist sogar noch mal deutlich gestiegen“, schildert Peter Moser, Obermeister der Rosenheimer Schreiner-Innung die Situation seiner Branche. Die Auslastung habe 2018 bei 8,3 Wochen gelegen und sich dieses Jahr auf 9,3 Wochen gesteigert. „Dies stellt einen neuen Spitzenwert der vergangenen 20 Jahre dar.“ Allerdings schwäche sich die künftige Umsatzerwartung gegenüber den Vorjahren spürbar ab; 46 Prozent der Schreinereien rechneten für das kommende Halbjahr mit einer weniger guten Entwicklung. Eine Aussage im Hinblick auf künftige Wartezeiten kann Moser daraus noch nicht ableiten.

Metallbau in der Region: Weniger Zeit für Kernaufgaben

Hiesige Metallbaubetriebe hätten derzeit eine Grundauslastung von drei bis fünf Monaten, erzählt Innungsobermeister Christian Albersinger. Ein defektes Türschloss oder das Scharnier eines Gartentors – Kleinigkeiten also – würden sofort oder innerhalb weniger Tage ausgeführt. Drei bis sechs Wochen dauere es, kleinere Fertigungsaufträge einzuschieben. „Größere Anfertigungen wie ganze Geländer oder Treppen können kaum unter zwei Monaten realisiert werden und je nach Kundenwunsch und Planungsaufwand bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen.“ Schuld sei der „gravierende Mangel an Facharbeitern.“ Zwar bemühten sich die Metallbauer „außerordentlich“ um junge Kräfte, doch es sei schwer, diese für sich zu gewinnen.

„Manche Betriebe vermeiden bewusst ein Wachstum, um nicht von bestimmten, bürokratischen Hürden betroffen zu sein“, beschreibt Albersinger ein weiteres Phänomen, das zur langsamen Auftragsabwicklung beiträgt. Auflagen und Anforderungen an die Betriebe stiegen ständig; gesetzliche Regelungen würden laufend verschärft. Als Beispiel nennt er den erweiterten Kündigungsschutz, der ab zehn Beschäftigten gelte. „Dass bayernweit Handwerksbetriebe durchschnittlich acht bis neun Mitarbeiter beschäftigen, spricht für sich.“ Zusätzliche Aufgaben wie die vorgezogenen Sozialabgaben, verschärfte Dokumentationspflicht durch das Mindestlohngesetz oder die Novellierung der Datenschutzgrundverordnung sorgten dafür, dass Unternehmer immer weniger Zeit für ihre Kernaufgaben aufwenden könnten.

Noch, sagt Albersinger, reagierten Kunden verständnisvoll auf Verzögerungen. Manche suchten sich aber Alternativen, landeten unter Umständen bei weniger qualifizierten Firmen – auch bei solchen, die gar nicht für die jeweilige Ausführung zertifiziert seien.

Wie sich die Wartezeiten künftig entwickeln, hänge von der weiteren konjunkturellen Lage ab, so Albersinger. Zwar sei im Gewerbe selbst kein Rückgang in Sicht. „Aber der demografische Wandel schlägt die nächsten Jahre noch stärker zu.“ Entscheidend werde sein, wie sich die Facharbeitersituation im Handwerk entwickele.

Elektriker: Das Problem ist teils hausgemacht

„Aufträge, die mit Bauzeitenplan und anderen Gewerken Hand in Hand laufen, werden mit geringen Differenzen eingehalten“, berichtet Martin Kaffl, Obermeister der Elektro-Innung. Das betreffe größere Aufträge und auch Handwerkergemeinschaften, die im Firmenverbund arbeiteten. „Aufträge im Servicebereich haben oft längere Wartezeiten, da hier die Fachleute dünner gesät sind.“ Dies treffe Branche und Kunden besonders. „Besonders unangenehm ist, dass die Situation auch viele treue Stammkunden trifft, die aber Gott sei Dank meist sehr geduldig sind.“ Auch Kaffl sieht im fehlenden Nachwuchs einen Grund dafür und sagt: „Selbstkritisch müssen wir feststellen, dass es uns in der Vergangenheit nicht gelungen ist, das Handwerk als attraktiv für junge Menschen, auch solchen mit Mittlerer Reife und Abitur, in der Öffentlichkeit darzustellen.“ Dies sei teils ein hausgemachtes Problem, „weil die Ausbildung selbst, insbesondere was die Baugewerbe betrifft, noch unter einem alten, negativ besetzten Klischee leidet.“ Umso mehr Energie müsse man jetzt darauf verwenden, wieder junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Das sei aber inzwischen modern und setze viel in zeitgemäßes Management und Wertschätzung. „Es dauert sicher noch etwas, mit diesen Menschen unseren Kunden früher helfen zu können, dafür dann aber dauerhaft.“