Rosenheim – Die nach dem Verkauf mehrerer Kathrein-Sparten verbliebenen 1000 Mitarbeiter in Rosenheim müssen in diesen Tagen eine weitere Hiobsbotschaft verdauen: Damit der schwedische Technologietreiber Ericsson das Unternehmen wie geplant Ende August übernimmt, sollen sie noch einmal Verzicht üben. Konkret geht es ums Urlaubsgeld, das sie sich schon in den vergangenen zwei Jahren freiwillig nicht auszahlen ließen, um ihren Arbeitsplatz zu retten. Ebenso verzichteten sie zuletzt auf die Hälfte des Weihnachtsgeldes.
Abstimmung in der nächsten Woche
Dass nur ein neuer Tarifvertrag den endgültigen Verkauf an Ericsson möglich macht, erfuhren die Beschäftigten am Montag während einer Mitgliederversammlung der IG Metall bei Kathrein. Diese Vereinbarung solle bis Ende des Jahres gelten, und es sei nur ein einmaliger Verzicht in dieser Zeit vorgesehen, so Betriebsratsvorsitzender Markus Unterleitner. Zwar hätten auf der Versammlung die Gewerkschafter aus der Belegschaft ihre Zustimmung zum neuen Tarif signalisiert, „doch jetzt kommt es darauf an, was die restlichen Kollegen wollen“. Rund die Hälfte der Kathreiner seien gewerkschaftlich organisiert.
In der kommenden Woche stimmen die IG Metall-Mitglieder über den neuen Tarif ab. Doch ihre Zustimmung scheint alternativlos: Ericsson hat nach Unternehmensangaben zur Bedingung gemacht, dass alle Kathrein betreffenden Zahlungen bis zur Übernahme im Sommer abgewickelt sein müssen. Sogar Sanierer Hans-Joachim Ziems war auf der Versammlung anwesend. Er habe unmissverständlich klargemacht, dass Kathrein insolvent ist, wenn der Verkauf an Ericsson nicht zustande kommt, so Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern. Noch hänge es außerdem von den Kartellbehörden ab, ob der Übernahme grünes Licht gegeben wird.
Dass Ziems vor den Beschäftigten gesprochen habe, sei gut aufgenommen worden, so Markus Unterleitner. Geschäftsführer Anton Kathrein selbst sei nicht vor Ort gewesen. „Das wäre auch nicht so gut angekommen“, fügte er hinzu. Denn die Stimmung in der Belegschaft sei nach erster Erleichterung nun erneut „sehr angespannt“. Nach wie vor gebe es großes Unverständnis darüber, wie es zu den „enormen Management-Fehlern“ der Vergangenheit habe kommen können. Unterleitners Stellvertreter Mario Boddeutsch brachte es auf den Punkt: „Wir Beschäftigte sollen nun bereit sein, noch einmal einen schmerzhaften finanziellen Beitrag zu leisten, damit Kathrein überlebt. Aber wir lassen uns nicht dauerhaft melken.“
Der neue Tarif könne die komplizierte Situation lösen. Die Gewerkschaft machte aber klar, dass der Verzicht auf Lohn Grenzen habe: So soll es 2019 Weihnachtsgeld geben; aus dem Flächentarif stünden den Mitarbeitern noch acht zusätzliche, bezahlte Urlaubstage zu. Gewerkschafter könnten sich laut IG Metall über einen Einmalbetrag von 400 Euro freuen.
Ziems hatte sich indes öffentlich dazu geäußert, dass auch die Abwicklung der beiden noch zu Kathrein gehörenden Unternehmensbereiche SAT und BCA zum ersten Juni abgeschlossen sein soll: Dann firmieren die 85 beziehungsweise knapp 70 Fachkräfte starken Bereiche eigenständig. Auch gab Ziems einen Einblick in die Pläne von Anton Kathrein: Er wolle nur den Bereich „Internet der Dinge“ behalten und damit durchstarten.